Nach § 165 Abs. 1 S. 1 SGB III haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen 3 Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gilt nach § 165 Abs. 1 S. 2 SGB III:

  • die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers (Nr. 1),
  • die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse (Nr. 2) oder
  • die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt (Nr. 3).
 

Hinweis:

Insg ist innerhalb der (materiellrechtlichen) Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 S. 1 SGB III von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen. Die Frist verlängert sich bei unverschuldeter Fristversäumnis um weitere zwei Monate nach Wegfall des Hinderungsgrundes (§ 324 Abs. 3 S. 2 SGB III – spezialgesetzliche Ausprägung des Rechtsinstituts der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 SGB X). Den maßgeblichen Sorgfaltsmaßstab regelt § 324 Abs. 3 S. 3 SGB III.

Vorliegend hatte das zuständige Amtsgericht am 30.7.2015 Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der ehemaligen Arbeitgeberin der Klägerin – das Arbeitsverhältnis bestand bis zum 31.1.2015 – abgelehnt (Insolvenzereignis nach § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB III). Die Klägerin hatte offene Lohnansprüche für die Monate November 2014 bis Januar 2015. Es kam in Betracht, dass zum 12.12.2014 ein Betriebsübergang nach § 613a BGB eingetreten war. Die Agentur für Arbeit hatte im Hinblick darauf Insolvenzgeld nur bis zum 11.12.2014 gezahlt. Das LSG hatte unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung der Klägerin Insolvenzgeld bis einschließlich Ende Januar 2015 zugesprochen. Es ließ offen, ob tatsächlich ein Betriebsübergang vorliege. Es widerspreche dem Zweck des Insolvenzgeldes, wenn Arbeitnehmer nach einer durch ein gesetzliches Insolvenzereignis eingetretenen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers auf das Ergebnis des Insolvenzverfahrens bzw. die Geltendmachung von ausstehenden Arbeitsentgeltansprüchen gegen Dritte verwiesen würden.

Das BSG folgt dem nicht, hob das Berufungsurteil auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück (BSG, Urt. v. 26.2.2019 – B 11 AL 3/18 R).

Der Ausgleich von Ansprüchen auf rückständiges Arbeitsentgelt durch Insg i.S.d. § 165 Abs. 1 S. 1 SGB III erfolgt, so das BSG, nur für solche arbeitsrechtlichen Ansprüche, die in den Insolvenzgeldzeitraum fallen. Gesichert wird nicht jegliches ausgefallenes Arbeitsentgelt im Zusammenhang mit einer Insolvenz, sondern nur arbeitsrechtliche Ansprüche der Arbeitnehmer gegen konkrete Arbeitgeber, die wiederum von einem der in § 165 Abs. 1 S. 2 SGB III bezeichneten Insolvenzereignisse betroffen sein müssen. Im Falle eines Betriebsübergangs vor dem Insolvenzereignis endet der Insolvenzgeldzeitraum trotz fortbestehenden Arbeitsverhältnisses des Arbeitnehmers mit der Betriebsübernahme durch den neuen Erwerber. Wegen eines Insolvenzereignisses bei dem (bisherigen) Arbeitgeber steht Insg nur bis zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs zu. Dies folgt aus § 613a BGB. Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein (gesetzliche Rechtsfolge des Betriebsübergangs). Nur für Verpflichtungen, die vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind, haften bisheriger Arbeitgeber und neuer Inhaber als Gesamtschuldner (§ 613a Abs. 2 BGB).

 

Hinweis:

In dem Fall gesamtschuldnerischer Haftung besteht, wie das BSG früher entschieden hat, ein Insolvenzgeld-Anspruch: Das Gesetz sieht nicht vor, dass der Anspruch auf Insg nicht oder erst entsteht, wenn auch der Dritte zahlungsunfähig geworden ist (s. BSG, Urt. v. 2.11.2000 – B 11 AL 23/00 R). Bei einer solchen Fallgestaltung – die hier jedoch nicht vorliegt – wäre demnach die Frage des Eintritts eines Betriebsübergangs unerheblich.

Demnach besteht für den Fall, dass ein Betriebsübergang am 12.12.2014 eingetreten sein sollte, ab diesem Zeitpunkt kein Anspruch der Klägerin auf Arbeitsentgelt gegen den früheren Arbeitgeber und demnach auch kein Anspruch auf Insolvenzgeld.

Das LSG durfte demnach nicht offen lassen, ob vorliegend ein i.S.v. § 613a BGB erfolgt ist. Dies wird im neu eröffneten Berufungsverfahren zu klären sein. Das BSG entscheidet ferner, dass dann, wenn sich nach Ausschöpfung der Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts nicht feststellen lässt, ob ein Betriebsübergang stattgefunden hat, die Beklagte hierfür die objektive Beweislast (Feststellungslast) trägt. Insofern verweist das BSG auf seine st. Rspr. (s. etwa BSG, Urt. v. 14.10.2014 – B 1 KR 27/13 R, Rn 18 m.w.N.), wonach die Unerweislichkei...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge