In Umsetzung der Entscheidung des EuGH (NZA 2018, 1474), hat das BAG am 19.2.2019 in vier Urteilen (vgl. 9 AZR 541/15, NZA 2019, 982; 9 AZR 423/16, NZA 2019, 977; 9 AZR 321/16, NZA 2019 1043; 9 AZR 278/16, juris) jeweils zum Verfall von Urlaubsansprüchen und der bestehenden Obliegenheit des Arbeitgebers entschieden. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub (§§ 1, 3 Abs. 1 BurlG) erlischt bei einer mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG konformen Auslegung von § 7 BUrlG nur dann am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 S. 1 BurlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 S. 3 und 4 BUrlG, § 24 S. 2 MuSchG [2018] oder § 17 Abs. 2 BEEG), wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt hat, seine Urlaubsansprüche wahrzunehmen und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Ihren Mitwirkungsobliegenheiten genügen Arbeitgeber nur dann, wenn sie ihre Arbeitnehmer auf bestehende Urlaubsansprüche: (1) ausdrücklich, (2) rechtzeitig und (3) völlig transparent hinweisen sowie weiter (4) auf deren Verfall hinweisen, für den Fall, dass der Arbeitnehmer den Urlaub nicht beantragt. (5) Zugleich muss die Urlaubsnahme auch tatsächlich möglich sein.
Das BAG weist ausdrücklich darauf hin, dass ein widersprüchliches Verhalten während des Jahres die Ordnungsmäßigkeit der Mitwirkungsobliegenheit nachträglich wieder entfallen lässt, so dass der Arbeitgeber diese erneut vornehmen muss, will er den Verfall auslösen. Beispielhaft soll dies die unbegründete oder fehlerhafte Ablehnung eines Urlaubsantrags sein.
Ob Arbeitgeber das Erforderliche getan haben, um ihren Mitwirkungsobliegenheiten zu genügen, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen. Arbeitgeber tragen insofern die Darlegungs- und Beweislast.
Haben Arbeitgeber ihre Mitwirkungsobliegenheiten nicht erfüllt, tritt der am 31.12. des Urlaubsjahres nicht verfallene Urlaub zu dem Urlaubsanspruch hinzu, der am 1.1. des Folgejahres entsteht. Für ihn gelten, wie für den neu entstandenen Urlaubsanspruch, die Regelungen des § 7 Abs. 1 S. 1 und 3 BUrlG, d.h. Arbeitgeber können das uneingeschränkte Kumulieren von Urlaubsansprüchen aus mehreren Jahren dadurch vermeiden, dass sie ihre Mitwirkungsobliegenheiten für den Gesamturlaubsanspruch bestehend aus dem neuen Urlaub und dem Urlaub aus dem/den zurückliegenden Urlaubsjahre/n im aktuellen Urlaubsjahr nachholen.
Hinweise:
Zeitliche Grenzen für die Fortschreibung des Urlaubs bei fehlender Information bestehen nicht:
- Mittelbare zeitliche Grenzen des Urlaubsanspruchs ergeben sich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Abgeltung des Urlaubs (§ 7 Abs. 4 BUrlG). Es handelt sich hierbei um einen gewöhnlichen Geldanspruch, der sowohl nach § 195 BGB verjähren als auch aufgrund wirksam vereinbarter individual- bzw. tarifvertraglicher Ausschlussfristen erlöschen kann.
- Es besteht kein Vertrauensschutz für Altfälle, die aktuelle Rechtsprechung zu Art. 267 AEUV wirkt auf den Ablauf der Umsetzungsfrist der ehemaligen Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG (23.11.1996) zurück. Der EuGH hat keinen Vertrauensschutz gewährt. Auf Vorlage des ArbG Verden hat der EuGH die deutschen Gerichte ausdrücklich angewiesen, keinen Vertrauensschutz zu gewähren (vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2018 – C-385/17, NZA 2019, 47).
- Die vorangestellten Grundsätze gelten zunächst für den gesetzlichen Urlaub (§ 3 BUrlG), aber auch für den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen nach § 208 SGB IX (s. etwa LAG Niedersachsen, Urt. v. 16.1.2019 – 25 Sa 567/18). Darüber hinausgehende Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche können Tarif- oder Arbeitsvertragsparteien frei regeln, was die Befugnis einschließt zu bestimmen, dass der Mehrurlaub am Ende des Jahres oder des Übertragungszeitraums verfällt, ohne dass Arbeitgeber zuvor ihren Mitwirkungsobliegenheiten entsprochen haben (BAG, Urt. v. 19.2.2019 – 9 AZR 541/15, NZA 2019, 982, für den tariflichen Mehrurlaub). Allerdings weist das BAG auch darauf hin, für den Willen der Tarifvertragsparteien, den Verfall des Urlaubs abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen zu regeln, das Vorliegen deutlicher Anhaltspunkte zu fordern. Fehlen solche, sei von einem Gleichlauf des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf tariflichen Mehrurlaub auszugehen.
- Die Beweislast ist nun genau umgekehrt.