Das Thema "Selbstbestimmte Lebensentwürfe stärken – Verantwortungsgemeinschaft einführen" (vgl. BT–Drucks 19/16454) war Ende Oktober Thema einer öffentlichen Anhörung im Bundestagsausschuss für Recht und Verbraucherschutz. Nach dem Willen einiger Abgeordneter soll der Bundestag vor dem Hintergrund der zunehmenden Vielfalt der Lebensformen und Lebensentwürfe die Bundesregierung auffordern, Möglichkeiten zu schaffen, um die Lebensrealitäten der Menschen abzubilden. Menschen, die außerhalb einer Ehe oder von Verwandtschaft Verantwortung füreinander übernehmen wollen, sollten besser anerkannt und gefördert werden, heißt es in dem Antrag. Dazu soll neben der Ehe das Modell der "Verantwortungsgemeinschaft" im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert werden. Diese solle durch mindestens zwei oder mehrere volljährige Personen, die nicht miteinander verheiratet, verpartnert oder in gerader Linie verwandt sind, möglichst unbürokratisch geschlossen werden können. Grundvoraussetzung der Verantwortungsgemeinschaft sei ein tatsächliches persönliches Näheverhältnis. Ein Zusammenleben solle hingegen nicht erforderlich sein.
Die fünf geladenen Sachverständigen bewerteten den Antrag differenziert. Die Direktorin des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Familienrecht aus Bonn erklärte, die Vielfalt der Lebens– und Familienformen sei heute größer denn je und das geltende Recht werde dieser Vielfalt nicht mehr gerecht. Es sei daher nachdrücklich zu begrüßen, wenn dem durch neue Modelle auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse Rechnung getragen würde. Dazu zähle die Schaffung einer Verantwortungsgemeinschaft. Zugleich gelte es, Regelungsmodelle anderer Länder umfassend in den Blick zu nehmen und von diesen Erfahrungen zu profitieren.
Ein Rechtsanwalt aus Hamburg betonte in seiner Stellungnahme, dass die Vorschläge des Antrags den sich wandelnden Lebensrealitäten einschließlich neuer, vielfältiger Lebensführungsentwürfe entsprächen. Obwohl es voraussichtlich große Anstrengungen erfordern würde, die bestehende Vielfalt der Konstellationen in ein gesetzliches Modell zu integrieren, sei die Umsetzung in Anbetracht der damit verbundenen positiven Folgen in besonderem Maße wichtig, auch um das deutsche Recht für die sich stellenden Aufgaben zu rüsten und an die sich entwickelnden Bedürfnisse der Menschen anzupassen.
Eine Vorsitzende Richterin am OLG Frankfurt erklärte, der Vorschlag stelle teilweise zu Recht ein Bedürfnis dafür fest, auch für nicht verwandtschaftlich oder durch eine Ehe begründete Gemeinschaften rechtlich verbindliche Konzepte festzuschreiben. Der Vorschlag schließe eine Lücke mit Regelungsbedarf nur für neue, nicht auf die klassische Paarbeziehung zwischen Liebenden zugeschnittene Lebensgemeinschaften. Eine standesamtlich registrierte Verantwortungsgemeinschaft sei nur für Beziehungen von Menschen sinnvoll, denen nicht mit der Ehe bereits jetzt ein Regelungskonzept zur Verfügung gestellt sei, das für das Zusammenleben und die Zeit nach dem Scheitern eine gerechte Verteilung von Aufgaben und Rechten vorsehe.
Der Bundesgeschäftsführer des Familienbunds der Katholiken äußerte hingegen Zweifel, ob das neue vorgeschlagene Rechtsinstitut im Ergebnis zu mehr Verbindlichkeit in der Gesellschaft führen würde. Vielmehr sieht er bei einem unverbindlicheren Konkurrenzinstitut zur Ehe die Gefahr, dass der Staat die im Grundgesetz unter "besonderen Schutz" gestellte Ehe schwächen und den gesellschaftlichen Trend zu mehr Unverbindlichkeit aktiv verstärken und fördern würde.
Zweifel am Sinn einer gesetzlichen Regelung äußerte auch der Experte von der Ludwig-Maximilian-Universität München. Für Verantwortungsgemeinschaften jenseits der Ehe erschließe sich für ihn kein Bedarf. Statt einer "Ehe light" sollten lieber das gesetzliche Ehemodell angepasst und dessen Vor- und Nachteile besser ausgeglichen werden. In dem Modell der Verantwortungsgemeinschaft sieht er eher Gefahren, v.a. gehe es zulasten von Frauen.
[Quelle: Bundestag]