Der Arbeitgeber hat gegen den Arbeitnehmer, der Vergütung wegen Annahmeverzugs fordert, einen Auskunftsanspruch über die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter unterbreiteten Vermittlungsvorschläge. Grundlage des Auskunftsbegehrens ist eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis nach § 242 BGB. Der Fünfte Senat des BAG (Urt. v. 27.5.2020 – 5 AZR 387/19, NZA 2020, 1113) hat mit diesem Urteil erstmalig einen Anspruch auf Auskunft des Arbeitgebers hinsichtlich anderweitigen Erwerbs des Arbeitnehmers anerkannt und damit seine Rechtsprechung (BAG, Urt. v. 16.5.2000 – 9 AZR 203/99, NZA 2001, 26) teilweise aufgegeben.
Der Kläger war seit 1996 bei der Beklagten beschäftigt. Diese kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers wiederholt, u.a. zuletzt mit Kündigung vom 30.1.2013 außerordentlich fristlos und hilfsweise ordentlich fristgerecht. Auch diese Kündigung griff der Kläger – erfolgreich – mittels Kündigungsschutzklage an. Mit Ablauf des Januar 2013 stellte die beklagte Arbeitgeberin die Vergütungszahlungen an den Kläger ein. Sie erhob den Einwand, dass der klagende Arbeitnehmer es böswillig unterlassen habe, anderweitigen Verdienst zu erzielen. Gegen die Zahlungsklage des Klägers auf Annahmeverzugslohn erhob die Beklagte Widerklage, mit welcher sie Auskunftserteilung begehrt, welche Arbeitsplatzangebote dem Kläger durch die BA und das Jobcenter im Zeitraum vom 1.2.2013 bis zum 30.11.2015 unter Nennung der Tätigkeit, der Arbeitszeit, des Arbeitsortes sowie der Vergütung unterbreitet worden waren. ArbG und LAG gaben der Widerklage jeweils durch Teilurteil statt.
Der Kläger hatte in allen drei Instanzen keinen Erfolg. Die Widerklage ist auch im Wege des Teilurteils zulässig. § 301 Abs. 1 S. 1 ZPO, wonach auch im Falle einer Widerklage ein Teilurteil nur erlassen werden darf, wenn die Gefahr widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist, steht dem nicht entgegen. Die beiden selbstständig geltend gemachten prozessualen Ansprüche, die Zahlungsklage auf Annahmeverzugslohn und die Auskunftswiderklage, sind zwei verschiedene Streitgegenstände, die zwar materiell-rechtlich verzahnt sind, weil die von der Beklagten verlangte Auskunft die Basis für die Begründung ihrer nach § 11 Nr. 2 KSchG erhobenen Einwendungen gegen den Zahlungsanspruch darstellt. Jedoch gilt das Teilurteilsverbot dennoch nicht. Es könnte sonst im Ergebnis weder über die Klage, noch über die Widerklage entschieden werden, weil beide jeweils von dem anderen Begehren abhängig sind. Das BAG überträgt die Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 29.3.2011 – VI ZR 117/10, NJW 2011, 1815 zu einer Stufenklage nach § 84a und § 84 AMG) zu einer Stufenklage auf den vorliegenden Sachverhalt. Ein etwaiger Widerspruch zwischen den insoweit ergehenden Entscheidungen ist vorliegend ebenso hinzunehmen, wie dies bei einem Widerspruch hinsichtlich der auf den verschiedenen Stufen (Auskunft und Zahlung) einer Stufenklage zu treffenden Entscheidungen der Fall ist.
Die zulässige Widerklage war auch begründet. Zwar besteht grds. keine Auskunftserteilungspflicht, die über die anerkannten Fälle des substantiierten Bestreitens hinausgeht. Doch gelten – wie vorliegend – aus den Grundsätzen von Treu und Glauben abzuleitende Ausnahmen. Auskunftsansprüche bestünden – so der Senat – wenn fünf Voraussetzungen erfüllt seien:
- Zwischen den Klageparteien muss eine besondere rechtliche Beziehung – wie hier der Arbeitsvertrag – bestehen,
- Es muss eine Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass die Einwendung böswillig unterlassenen Verdienstes begründet sei – was hier aus dem gesetzlichen Auftrag der Behörden folge, einem Arbeitssuchenden Angebote zur Arbeitsvermittlung zu unterbreiten –,
- Die Beklagte muss in entschuldbarer Art und Weise über das Bestehen über den Gegenstand des Auskunftsbegehrens – hier: der Vermittlungsangebote – im Unklaren sein,
- Der Kläger muss, die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer erteilen können und zuletzt
- darf durch das Auskunftsbegehren die Darlegungs- und Beweislast im Prozess nicht unzulässig verändert werden.
Mit diesen Grundsätzen hält der Senat an der vormaligen eigenen Rechtsprechung (BAG, Urt. v. 16.5.2000 – 9 AZR 203/99, NZA 2001, 26) nicht mehr fest, wonach nicht einmal das Unterlassen der Meldung des Arbeitnehmers bei der Agentur für Arbeit das Merkmal des böswilligen Unterlassens erfülle. Vielmehr ist der Arbeitnehmer aufgrund der (sozialrechtlichen) Regelung des § 2 Abs. 5 SGB III zur aktiven Mitarbeit bei der Vermeidung oder Beendigung von Arbeitslosigkeit angehalten. Diese sozialversicherungsrechtliche Meldeobliegenheit findet auch i.R.d. Anrechnungsvorschriften beim Annahmeverzug Beachtung.
Hinweise:
- Die Entscheidung hat große Konsequenzen für Kündigungsschutzverfahren, bei denen der Arbeitgeber stets dem Risiko des Annahmeverzugs ausgesetzt ist.
- Arbeitgeber hatten bisher allein einen Auskunftsanspruch hinsichtlich anderweitiger Vergütung im Annahmeverzugszeitraum, den sie im Wege der Einwendung nach § 273 BGB gegen den Zahl...