Das BAG hatte sich in zwei Entscheidungen vom 27.10.2020 – 9 AZR 531/19, NZA 2021, 504 und vom 9.3.2021 – 9 AZR 323/20, NZA 2021, 1257 mit Fragen der Anwendung von tariflichen Ausschlussfristen auf den Urlaubsabgeltungsanspruch zu befassen.
Die Grundsätze der Entscheidungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Die Wirksamkeit von tariflichen Ausschlussfristen, die eine Geltendmachung des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung zeitlichen Fristen unterwerfen und/oder eine schriftliche Geltendmachung fordern, steht der nach § 13 Abs. 1 S. 1 BUrlG unabdingbare Schutz des gesetzlichen Mindesturlaubs (§§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG) nicht entgegen.
- Ihre Anwendung auf den in Art. 7 RL 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRCh verankerten Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs ist auch mit Unionsrecht vereinbar.
- Die für den Lauf einer Ausschlussfrist maßgebliche Fälligkeit des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung tritt im Fall einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch arbeitgeberseitige Kündigung regelmäßig mit Ablauf der Kündigungsfrist ein.
- Im Arbeitnehmermandat ist unbedingt zu beachten: In der Erhebung einer Bestandsschutzklage liegt nicht die schriftliche Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs i.S.e. tariflichen Ausschlussfrist. Mit einer Kündigungsschutzklage wahren Arbeitnehmer, ohne dass es einer bezifferten Geltendmachung bedarf, eine einstufige Ausschlussfrist bzw. die erste Stufe einer zweistufigen Ausschlussfrist für alle aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses resultierenden Ansprüche. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung knüpft nicht an den mit der Kündigungsschutzklage angestrebten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses an, sondern setzt mit der in § 7 Abs. 4 BUrlG geforderten Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerade das Gegenteil voraus.
Im Verfahren 9 AZR 323/20, NZA 2021, 1257 lautete in § 12 (Verfall-/Ausschlussfristen) des Arbeitsvertrags der Parteien der letzte Satz: „Für Ansprüche aus unerlaubter Handlung verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung”.
Das BAG sieht diese Klausel für insgesamt unwirksam an, weil hierdurch entgegen § 202 Abs. 1 BGB die Haftung wegen Vorsatzes begrenzt wird. Es gelten insoweit die Ausführungen oben unter I. 4., auf die verwiesen wird.
Das LAG hatte angenommen, die Auslegung des letzten Satzes in § 12 des Arbeitsvertrages ergebe, dass Ansprüche aus Haftung wegen Vorsatzes insgesamt von dem Geltungsbereich der Verfalls-/Ausschlussklausel ausgenommen werden, auch solche aus vorsätzlich begangener Vertragsverletzung, und daher mangels Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB wirksam seien. Dem folgt das BAG nicht. Bereits der Wortlaut der Klausel spreche für das Gegenteil. Ein durchschnittlicher Vertragspartner des Verwenders könne nicht davon ausgehen, die Ausschlussklausel erfasse keine Ansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzungen. Die ausdrückliche Nennung allein der Ansprüche aus unerlaubter Handlung zeige im Umkehrschluss, dass sich der Anwendungsbereich der Klausel i.Ü. auf alle Ansprüche erstrecken soll, also auch solche aus vorsätzlich begangener Vertragsverletzung.
Hinweis:
Zu der geänderten Rechtsprechung des 8. und 9. Senats des BAG zur Vorsatzhaftung in Ausschlussklauseln s. jetzt Bayreuther, NZA 2021, 1375. Mit der Verjährung von Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen befasst sich Geiger, NZA 2020, 359.