Geht es um Ehegattenunterhalt in der Patchworkfamilie, ist zu beachten, dass der Unterhalt minderjähriger Kinder immer vorrangig abzudecken ist. Unterhaltsansprüche der Ehegatten können folglich nur dann eine Rolle spielen, wenn nach Erfüllung sämtlicher Kindesunterhaltsansprüche noch finanzielle Mittel beim unterhaltspflichtigen Ehegatten vorhanden sind.
1. Neue Ehe auf Seiten des unterhaltspflichtigen Ehegatten
Dabei sind die unterhaltsrechtlichen Grundregeln von Bedarf, Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit genau zu beachten.
a) Bedarf der geschiedenen Ehefrau
Der Bedarf eines Unterhaltsberechtigten bestimmt immer die Obergrenze des Unterhalts, der von ihm beansprucht werden kann (Eschenbruch/Schürmann, Unterhaltsprozess, 7. Aufl. 2021, Kap. 1 Rn 504 m.w.N.). Dies gilt auch – und v.a. – beim Ehegattenunterhalt, bei dem nicht selten die irrige Ansicht besteht, der Anspruch eines Ehegatten sei immer auf eine bestimmte Quote des aktuell vorhandenen Einkommens des unterhaltspflichtigen Ehegatten gerichtet.
Maßstab für den Unterhaltsanspruch eines Ehegatten sind die ehelichen Lebensverhältnisse (§ 1578 BGB), so wie sie in der jeweiligen Ehe gelebt worden sind bzw. gelebt werden. Diese leiten sich von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Ehegatten während der Zeit der Ehe ab und umfassen dabei sämtliche Faktoren, die während der Ehe nicht nur vorübergehend für den Lebenszuschnitt der Ehegatten von Bedeutung waren, sondern nachhaltig erzielt worden sind („prägende Faktoren”; BGH, Urt. v. 20.12.2000 – XII ZR 237/98, FamRZ 2001, 413).
Bei der Bedarfsbemessung ist nach ständiger Rechtsprechung die im Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung bestehende Einkommenssituation zugrunde zu legen (BGH, FamRZ 2012, 281; BGH, FamRZ 2014, 1183; BGH, FamRZ 1985, 357; BGH, FamRZ 1981, 752), denn erst dann und nicht bereits mit der Trennung enden die ehelichen Lebensverhältnisse. Bis zu diesem Zeitpunkt eingetretene nicht vorwerfbare Einkommensveränderungen sind grds. prägend (BGH, FamRZ 2012, 281; BGH, FamRZ 2014, 1183; BGH, FamRZ 1985, 357; BGH, FamRZ 1981, 752). Dies gilt auch für neue Belastungen wie z.B. ein außereheliches Kind (BGH, FamRZ 2012, 281; OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.3.2017 – 13 UF 106/15, FuR 2018, 318) und den Unterhaltsanspruch der Mutter dieses Kindes aus § 1615l BGB (BGH, Beschl. v. 25.9.2019 – XII ZB 25/19, NJW 2019, 3570).
In die Bedarfsermittlung ist danach das für Unterhaltszwecke verfügbare Einkommen einzustellen, wie es vor Rechtskraft der Ehescheidung bestand (BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09 – FamRZ 2012, 281). Unterhaltspflichten anderen Personen gegenüber sind als unterhaltsrechtlich relevante Abzugspositionen daher nur in dem Umfang prägend, als sie bis zu diesem Zeitpunkt hinzugetreten sind.
Folglich sind die Belastungen durch Unterhaltspflichten für neue Ehegatten sowie für nachehelich geborene Kinder und den ggf. dadurch bedingten Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB regelmäßig nicht bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs eines geschiedenen Ehegatten nach § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB zu berücksichtigen (BGH, FamRZ 2012, 281; OLG Celle, FamRZ 2007, 1818; BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09, BGHZ 192, 45-67; FamRZ 2012, 281, BGH, Beschl. v. 7.5.2014 – XII ZB 258/13, FamRZ 2014, 1183, OLG Zweibrücken, Beschl. v. 28.10.2011 – 2 UF 68/11, FamRZ 2012, 791).
b) Bedarf der neuen Ehefrau
Der mit seiner Familie in häuslicher Gemeinschaft lebende Ehegatte schuldet den übrigen Familienmitgliedern Familienunterhalt i.S.d. §§ 1360, 1360a BGB. Ein solcher Anspruch auf Familienunterhalt richtet sich nach den die ehelichen Lebensverhältnisse bestimmenden Einkommens- und Vermögensverhältnissen (Bömelburg in: Wendl/Dose, Unterhaltsrecht, 10. Aufl. 2019, § 3 Rn 39) der neuen Familie und dem jeweiligen Lebenszuschnitt dieser Ehegatten.
In diesen Fällen der Anspruchskonkurrenz von mehreren Ehegatten ist der Anspruch des neuen Ehegatten auf Familienunterhalt dabei der Höhe nach wie ein Anspruch auf Trennungsunterhalt oder nachehelicher Unterhalt zu behandeln (BGH, Urt. v. 12.12.2012 – XII ZR 43/11, Rn 33, FUR 2013, 204; NJW 2013, 686; FamRZ 2013, 363; BGH, Urt. v. 19.2.2003 – XII ZR 67/00, FamRZ 2003, 860, 865; BGH, Urt. v. 20.3.2002 – XII ZR 216/00, FamRZ 2002, 742; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 28.10.2011 – 2 UF 68/11, FamRZ 2012, 791). Der anzusetzende Betrag ist daher in gleicher Weise wie der Unterhaltsbedarf eines getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten zu berechnen (BGH, FamRZ 2007, 1081, 1083; BGH, FamRZ 2003, 860, 864).
Maßgeblich für den unterhaltsrechtlichen Bedarf seiner jetzigen Ehefrau sind also die Lebensverhältnisse der aktuellen Ehe, die aber bereits seit dem Zeitpunkt der neuen Eheschließung durch die Belastung mit einem Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau und ggf. einem oder mehrerer Kinder aus früheren Beziehungen – sozusagen als „Altlasten” – geprägt werden. Der nach den konkreten ehelichen Lebensverhältnissen des Antragstellers und seiner neuen Ehefrau zu berechnende Bedarf muss diesem Umstand Rechnung tragen (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 28.10.2011 – 2 UF 68/11, FamRZ 2012, 791).
c) Leistungsfähigkeit des geschiedenen Ehemanns
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