In den Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2012) heißt es unter 4.1.1.1: „Sie müssen uns den Versicherungsfall unverzüglich mitteilen, gegebenenfalls auch telefonisch”. In 4.1.1.3 ARB 2012 heißt es, dass kostenverursachende Maßnahmen mit dem Rechtsschutzversicherer abgestimmt werden müssen, z.B. „Die Beauftragung eines Rechtsanwalts”. Das Verb „müssen” erweckt den Eindruck, dass es sich hierbei um eine Vertragspflicht handelt, die vom Versicherungsnehmer unbedingt eingehalten werden muss.
Nur der versicherungsrechtlich geschulte Jurist erkennt, dass es sich bei dieser Formulierung nicht um eine echte Rechtspflicht handelt, vielmehr um eine Obliegenheit, die sich nur dann auf den Versicherungsschutz auswirken kann, wenn sie kausal für eine Benachteiligung des Rechtsschutzversicherers ist. Es ist somit keineswegs zwingend, jeden Rechtsschutzfall den Versicherern zu melden, zumal die Versicherer diese Formulierung insb. deshalb gewählt haben, weil sie den Versicherungsnehmern einen sog. Vertrauensanwalt empfehlen wollen, mit dem sie durch ein Gebührenabkommen verbunden sind. Es handelt sich um einen eklatanten Verstoß gegen den Grundsatz der freien Anwaltswahl, der auch in der Rechtsschutzversicherung gilt.
Es ist sogar schädlich und ein handwerklicher Fehler, jeden Versicherungsfall dem Rechtsschutzversicherer sofort anzuzeigen. Wenn innerhalb eines Jahres zwei Versicherungsfälle angezeigt werden, kann der Rechtsschutzversicherer Kündigungen aussprechen, und zwar unabhängig davon, ob sich aus den angezeigten Versicherungsfällen eine Leistungspflicht ergibt. In der Praxis empfiehlt es sich daher, den Rechtsschutzversicherer nur dann zu informieren, wenn tatsächlich Klage erhoben werden soll.
Irreführend ist auch die Forderung, vor Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts die Kostenzusage beim Rechtsschutzversicherer einzuholen. Es ist vielmehr zulässig und empfehlenswert, dass der Versicherungsnehmer zunächst einen Rechtsanwalt seiner Wahl aufsucht, der dann, soweit erforderlich, eine Deckungszusage beim Rechtsschutzversicherer einholt. Die Einholung der Deckungszusage durch einen Rechtsanwalt ist zwar eine gesonderte anwaltliche Tätigkeit, die im Regelfall von Rechtsanwälten jedoch nicht berechnet wird.
Selbst nach einem verlorenen Prozess kann ein Rechtsschutzversicherer in Anspruch genommen werden, wenn bewiesen wird, dass der Rechtsschutzversicherer auch bei einer vorherigen Information Deckungsschutz zu gewähren hätte. (Kausalitätsgegenbeweis).
Die Kritik an den ARB 2012 hat einige Rechtsschutzversicherer dazu veranlasst, Versicherungsschutz nicht nach den ARB 2012 anzubieten, sondern vielmehr nach den früheren ARB 2010.
ZAP F., S. 1195–1195
RA und Fachanwalt für Versicherungsrecht Dr. Hubert W. van Buehren, Köln