Das BAG klärt den Umfang der für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe (PKH) erforderlichen Vollmacht (BAG, Beschl. v. 18.4.2024 – 4 AZB 22/23, NZA 2024, 719 = NJW 2024, 1901).
Der Kläger begehrt die Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht über einen Zahlungsanspruch und über die Erteilung und Herausgabe verschiedener Arbeitspapiere.
Mit Klageschrift vom 13.10.2022 beantragte der Kläger die Bewilligung von PKH und die Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten. Am 1.11.2022 erging gegen die Beklagte Versäumnisurteil. Der Kläger reichte eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst verschiedener Belege sowie eine Vollmachtsurkunde seines Prozessbevollmächtigten bei Gericht ein. Diese lautet auszugsweise wie folgt:
Zitat
„Herrn Rechtsanwalt M.B. [...] wird hiermit [...] Vollmacht erteilt für die Beantragung von PKH/VKH in meiner o.b. Angelegenheit. Der Auftrag umfasst lediglich das Antragsverfahren, nicht aber ein eventuelles PKH-/VKH-Überprüfungsverfahren nach Abschluss der Hauptsache.”
Die Beklagte legte innerhalb der Einspruchsfrist keinen Einspruch gegen das ihr am 4.11.2022 zugestellte Versäumnisurteil ein.
Das Arbeitsgericht wies den Kläger und dessen Prozessbevollmächtigten darauf hin, dass erwogen werde, den Antrag auf Beiordnung zurückzuweisen. Die vorgelegte Prozessvollmacht umfasse lediglich das Antragsverfahren, nicht aber ein eventuelles PKH-Überprüfungsverfahren nach Abschluss der Hauptsache.
Hierauf erwiderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers, dass der Vorschrift des § 121 Abs. 2 ZPO keine gesetzliche Verpflichtung des beigeordneten Rechtsanwalts für das Überprüfungsverfahren zu entnehmen sei.
Dem folgen die Arbeitsgerichte in allen drei Instanzen nicht. Ausgangspunkt ist § 11a Abs. 1 ArbGG. Vor den Arbeitsgerichten gelten die Vorschriften der ZPO über die PKH entsprechend. Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO).
Die Vertretungsbereitschaft eines Rechtsanwalts muss auch das PKH-Überprüfungsverfahren umfassen, weil der Umfang einer Beiordnung sich grds. auf den Rechtszug nach § 119 Abs. 1 S. 1 ZPO im kostenrechtlichen Sinne erstreckt. Als Verfahrensabschnitt, der keine besonderen Kosten verursacht, ist er Teil eines einheitlichen Rechtszugs. Danach ist das PKH-Verfahren, welches das PKH-Überprüfungsverfahren einschließt, Teil des Rechtszugs. Das PKH-Verfahren löst neben den Rechtsanwaltsgebühren für das Hauptsacheverfahren keine gesonderte Rechtsanwaltsvergütung aus (vgl. § 15 Abs. 2 RVG und § 16 Nr. 2 RVG: Hauptsache und PKH-Verfahren sind eine Angelegenheit). Das PKH-Verfahren selbst ist gerichtsgebührenfrei, weil der Zugang zum Rechtsschutz eröffnet werden soll (BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 2.7.2012 – 2 BvR 2377/10, juris Rn 12). Dies führt jedoch nicht dazu, dass in den Fällen, in denen die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH und die Beiordnung eines Rechtsanwalts vorliegen, das PKH-Überprüfungsverfahren von der Beiordnung ausgenommen werden kann.
Erfasst die Beiordnung daher grds. das PKH-Überprüfungsverfahren, muss sich die Vertretungsbereitschaft des Rechtsanwalts hierauf beziehen. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Beiordnung nach § 121 Abs. 2 ZPO nur auf Antrag der bedürftigen Partei zu erfolgen hat.
Konkret war eine Vertretungsbereitschaft im PKH-Überprüfungsverfahren nicht gegeben. Wird dem Prozessgericht im Rahmen des Antrags auf Beiordnung eines Rechtsanwalts eine umfassende Prozessvollmacht vorgelegt, geht daraus hervor, dass der betroffene Rechtsanwalt bereit ist, die Partei im Rahmen der begehrten Beiordnung zu vertreten. Anders ist dies hingegen, wenn sich aus der Vollmacht Einschränkungen ergeben. In diesem Fall ist aus der Vollmachtsurkunde nicht ersichtlich, ob der Rechtsanwalt bereit ist, die Partei über den in der Vollmachtsurkunde ausgewiesenen Inhalt hinaus im Rahmen des gesamten Rechtszugs nach § 119 Abs. 1 S. 1 ZPO zu vertreten.
Vorliegend hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers in seinem Schriftsatz nach Erhalt des gerichtlichen Hinweises in Abrede gestellt, dass es im Falle einer Beiordnung nach § 121 Abs. 2 ZPO eine Verpflichtung gibt, die Partei im Rahmen des PKH-Überprüfungsverfahrens zu vertreten. Es ist nicht ersichtlich, dass er auf Verlangen des Klägers dennoch hierzu bereit wäre.
Hinweise:
- Ausgangspunkt ist die Beiordnung für den gesamten Rechtszug im kostenrechtlichen Sinn (BGH, Beschl. v. 17.1.2018 – XII ZB 248/16 Rn 19, BGHZ 217, 206). Hauptsacheverfahren und PKH-Verfahren sind eine Angelegenheit i.S.d. § 16 Nr. 2 RVG. Für das PKH-Verfahren werden keine Gebühren erhoben, weil der Rechtsschutz erst hergestellt werden soll (BVerfG, a.a.O.).
- Die Beiordnung erfasst grds. das PKH-Überprüfungsverfahren als Bestandteil des PK...