Der beigeordnete Rechtsanwalt hat gegenüber der Staatskasse die Verpflichtung, diese bei der Beitreibung von auf sie übergegangenen Ansprüchen gegen einen potentiell erstattungspflichtigen Dritten zu unterstützen. Kommt der beigeordnete Rechtsanwalt dieser letztlich aus dem Rechtsgedanken von Treu und Glauben hergeleiteten Verpflichtung nicht nach, so kann er seinen eigenen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse verlieren. Dabei muss der Rechtsanwalt in dem Bewusstsein gehandelt haben, die Staatskasse ohne einen zwingenden sachlichen Grund zu beeinträchtigen. Eine regelrechte Schädigungsabsicht muss der Rechtsanwalt dagegen nicht haben.
Eine Beeinträchtigung der Interessen der Staatskasse liegt vielfach dann vor, wenn der beigeordnete Rechtsanwalt auf eine Kostenentscheidung zugunsten seines Mandanten, aus der sich das Beitreibungsrecht des PKH-Anwalts gem. § 126 Abs. 1 ZPO herleitet, verzichtet. Eine solche Vereitelung hat ihre Ursache meist nicht in einem unredlichen Verhalten des Rechtsanwalts, sondern beruht oft auf der Unkenntnis des Anwalts von dem Zusammenspiel von Kostenerstattungsanspruch der bedürftigen Partei, dem eigenen Beitreibungsrecht gegen den Gegner und dem Recht der Staatskasse, diese Ansprüche nach dem Forderungsübergang gegen einen ersatzpflichtigen Gegner geltend zu machen.
Eine – teilweise oder völlige – Vereitelung des Forderungsübergangs auf die Staatskasse kann in mehreren Fallgestaltungen eintreten:
- Der PKH-Anwalt schließt einen Vergleich, in dem der Gegner bei der Kostenverteilung im Verhältnis zur Sach- und Rechtslage übermäßig entlastet wird (OLG München JurBüro 2004, 37).
- Der Rechtsanwalt rät einem nicht bedürftigen Mandanten, eine zweifelhafte Forderung an einen bedürftigen Strohmann abzutreten, dem für die beabsichtigte Klage PKH ohne Ratenzahlungsanordnung unter Beiordnung des Anwalts bewilligt wird. Hat der Rechtsanwalt dabei für die Abtretung einen sachlichen Grund vorgespiegelt und wird die Klage deshalb abgewiesen, so kann darin ebenfalls eine Vereitelung des Forderungsübergangs liegen (s. OLG Köln FamRZ 1995, 940).
- Der PKH-Anwalt erwirkt für seinen bedürftigen Mandanten aufgrund der zu dessen Gunsten ergangenen Kostenentscheidung einen Kostenfestsetzungsbeschluss gem. §§ 103 ff. ZPO, der den erstattungspflichtigen Gegner die Aufrechnung mit Ansprüchen ermöglicht, was sonst bei der Kostenfestsetzung auf den Namen des PKH-Anwalts gem. § 126 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen wäre. Wegen der durchgreifenden Aufrechnung kann auch die Staatskasse ihren Forderungsübergang gegen den Gegner nicht geltend machen, da der Kostenerstattungsanspruch der Partei erloschen ist (OLG München AGS 1998, 11 = AnwBl 1998, 54).
- Der PKH-Anwalt verzichtet ohne sachlichen Grund auf eine für seinen bedürftigen Mandanten günstige Kostengrundentscheidung (so SG Berlin RVGreport 2015, 459 [Hansens]; LSG NRW, Beschl. v. 11.4.2008 – L 1 B 33/07 AL; LSG NRW, Beschl. v. 13.11.2008 – L 20 B 59/08 SO; BGH RVGreport 2007, 111 [Hansens] = NJW 2007, 1213).
Ein Sachverhalt, der ebenfalls häufig in die Kategorie "Vereitelung des Beitreibungsrechts" gefallen ist, spielt infolge einer Gesetzesänderung keine Rolle mehr. Diese Frage stellte sich früher in dem Fall, in dem der Kläger seine Klage zurückgenommen hatte und der bedürftige Beklagte keinen Kostenantrag nach § 269 Abs. 3 ZPO gestellt hatte. In einem solchen Fall stand dem PKH-Anwalt mangels Kostenentscheidung kein Beitreibungsrecht nach § 126 Abs. 1 ZPO zu (s. OLG Brandenburg FamRZ 1996, 683). Mit Einfügung des § 269 Abs. 4 ZPO durch das PKH-Änderungsgesetz kann das Prozessgericht in einem solchen Fall die Kostenentscheidung zu Lasten des Klägers von Amts wegen treffen, so dass dann eine Vereitelung des Forderungsübergangs nicht mehr eintreten kann.