Der Dritthaftung von Rechtsberatern und Wirtschaftsprüfern gegenüber Nichtmandanten kommt in der Rechtspraxis eine wachsende Bedeutung zu. Hierfür ist in erster Linie die Rechtsfigur des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter maßgeblich. Aber auch die deliktische Haftung des Rechtsberaters gegenüber Nichtmandanten ist praxisrelevant (D. Fischer, in: Handbuch der Anwaltshaftung, § 8 Rn 1ff).
1. Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
Ein Anwaltsvertrag hat auch ohne ausdrückliche Regelung Schutzwirkungen zugunsten eines Dritten, sofern sich dies aus einer maßgeblich durch das Prinzip von Treu und Glauben geprägten ergänzenden Auslegung des Beratervertrags ergibt (BGH ZAP EN-Nr. 244/2016 = WM 2016, 1562 Rn 26; ZAP EN-Nr. 715/2016 = NJW 2016, 3432 Rn 17; D. Fischer, in: Handbuch der Anwaltshaftung, § 10 Rn 16). Hierzu müssen nach ständiger Rechtsprechung vier Kriterien erfüllt sein: Der Dritte muss mit der Hauptleistung des Anwalts bestimmungsgemäß in Berührung kommen. Der Gläubiger muss ein schutzwürdiges Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Beratungsvertrags haben. Die Einbeziehung Dritter muss dem schutzpflichtigen Berater bekannt oder für ihn zumindest erkennbar sein. Ausgeschlossen ist ein zusätzlicher Drittschutz regelmäßig dann, wenn der Dritte wegen des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts bereits über einen inhaltsgleichen vertraglichen Anspruch verfügt (BGH ZAP EN-Nr. 715/2016 = NJW 2016, 3432 Rn 17).
Ob ein bestimmter Dritter im Einzelfall aufgrund dieser Kriterien in den Schutzbereich eines Vertrags einbezogen wurde, ist zunächst eine Frage der Auslegung und insoweit vom Tatrichter zu entscheiden. Das Revisionsgericht prüft insoweit nur, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen wurde (BGH a.a.O. Rn 18).
Mit Urteil vom 21.7.2016 hat der BGH (ZAP EN-Nr. 715/2016 = NJW 2016, 3432) den Anwendungsbereich des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter im Rahmen der Anwaltshaftung deutlich eingeschränkt: Ist Gegenstand des mit einem Anwalt geschlossenen Beratungsvertrags die Beratung für Entscheidungen des Mandanten, hat der Anwaltsvertrag im allgemeinen keine Schutzwirkungen zugunsten des (gesetzlichen) Vertreters des Mandanten für Vermögenseinbußen des Vertreters, die darauf zurückzuführen sind, dass dem Vertreter im Zusammenhang mit dem Gegenstand der anwaltlichen Beratung zu Recht oder zu Unrecht eigene Pflichtverletzungen vorgeworfen werden. Die Leistungen des Anwalts weisen bei einer solchen Fallgestaltung weder ein besonderes Näheverhältnis zu den Pflichten des Vertreters auf, noch hat der Mandant – ohne besondere Anhaltspunkte – ein eigenes Interesse an der Einbeziehung seines Vertreters in den Schutzbereich dieses Anwaltsvertrags (BGH a.a.O. Rn 24).
Die hier in Rede stehende Fallgestaltung ist mit den vom BGH zuvor entschiedenen Fällen einer Schutzwirkung zugunsten eines Geschäftsführers (BGH WM 2011, 2334 Rn 7 [Umsatzsteuermandat]; BGHZ 193, 297 Rn 28 [Prüfauftrag zur Insolvenzreife]) nicht vergleichbar. Dort ging es um die Einhaltung von Handlungspflichten des Dritten und die beim Dritten eintretenden Haftungsfolgen, die im Fremdinteresse angeordnet sind, nicht aber im Interesse des Mandanten; die den Geschäftsführer treffende Haftung trat in einer jedenfalls der Gesamtschuld vergleichbaren Art und Weise neben die des Mandanten. Anders gelagert ist dagegen die nunmehr entschiedene Konstellation: Hier bestanden keine Handlungspflichten des Dritten zum Erwerb der verfahrensgegenständlichen Aktien; auch steht lediglich die Gefahr einer Binnenhaftung des Dritten gegenüber dem von ihm vertretenen Land im Raum (BGH ZAP EN-Nr. 715/2016 = NJW 2016, 3432 Rn 42).
Hinweis:
Eine Schutzwirkung zugunsten Dritter reicht nicht weiter als die dem Berater gegenüber seiner eigentlichen Vertragspartei obliegenden Beratungs-, Warn- und Hinweispflichten (BGH WM 2013, 802 Rn 27; NJW 2016, 3432 Rn 43). Dass der Beratungsvertrag auch Fragen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Vertreters zum Gegenstand hat, ist regelmäßig zu verneinen. Vermögenseinbußen, die der Vertreter unabhängig von einer von ihm selbst möglicherweise begangenen haftungsbegründenden Pflichtverletzung erleidet, fallen daher von vornherein nicht unter den Schutzbereich eines Beratungsvertrags, der allein vermögensrechtliche Entscheidungen des Mandanten betrifft. Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist daher für sich genommen nicht geeignet, Schutzwirkungen eines auf die vermögensrechtliche Entscheidung des Mandanten gerichteten Beratungsvertrags zugunsten des Vertreters zu begründen (BGH NJW 2016, 3432 Rn 43).
2. Deliktische Dritthaftung
Geradezu „revolutionäre Bedeutung“ kommt dem Grundsatzurteil des X. Zivilsenats (Patentsenat) vom 1.12.2015 (BGHZ 208, 119 – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung II) zu, mit dem zu den Folgen einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung Stellung genommen wurde. Im Hinblick auf den anwaltlichen Vertreter des Schutzrecht...