Die Widerrufsbelehrung hat sich seit der Entscheidung des BGH vor mehr als 30 Jahren (Urt. v. 16.4.1986 BGHZ 94, 226) als einer der problematischsten Punkte bei Franchiseverträgen herausgestellt. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Das Recht zur Widerrufsbelehrung ist in den letzten Jahren mehrmals geändert worden, teilweise mehrmals in einem Jahr. Die Fülle der ergangenen Entscheidungen zu den Formalien und zu dem Inhalt der Widerrufsbelehrung, die verpflichtend zu beachten sind, ist kaum noch zu überschauen (umfassend Flohr ZVertriebsR 2012, 70 ff. mit zahlreichen weiterführenden Nachweisen; eine umfassende Darstellung zum Schrifttum zum Verbraucherschutz bei Franchiseverträgen und der Entwicklung der Widerrufsbelehrung findet sich auch bei Flohr, in: Handbuch, § 30 Rn 264).
a) Verbraucher (§ 13 BGB) oder Unternehmer (§ 14 BGB)
Gemäß § 355 BGB ist nur ein solcher Franchisenehmer über sein Widerrufsrecht zu belehren, der Verbraucher ist. Damit gewinnen die Vorschriften der §§ 13, 14 BGB, die sich mit den Begriffen des "Verbrauchers" bzw. des "Unternehmers" befassen, auch für den Abschluss von Franchiseverträgen grundsätzliche Bedeutung; insbesondere für Existenzgründungsfranchisenehmer, wie die Entscheidung des BGH vom 24.2.2005 (NJW 2005, 1273) zeigt (umfassend dazu: Flohr, in: Vertriebsrecht, §§ 355, 360 BGB, Rn 46 f. m.w.N.).
b) Belehrung (§ 355 BGB)
1.13.2.1 aa) Belehrungspflicht
Sollte der Franchisenehmer Existenzgründer und damit Verbraucher i.S.v. § 13 BGB sein, so ist dieser, wenn der Masterfranchisevertrag zugleich eine Bezugsbindung enthält, über sein Widerrufsrecht gem. § 355 BGB zu belehren. Diese Widerrufsbelehrung orientierte sich zunächst an dem gesetzlichen Muster der 2. Änderungsverordnung zur BGB-Informationspflichtenverordnung (vgl. zum Ganzen und zum Mustertext Flohr/Klapperich, Rn 50 ff. m.w.N.; s. zur Wirkung des Widerrufs zusammenfassend BGH ZIP 2004, 1157, 1158 m.w.N.; zur Gestaltung der Widerrufsbelehrung BGH NJW-RR 2004, 751, 752 f.; BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15). Allgemein wurde allerdings davon ausgegangen, dass diese vom Verordnungsgeber vorgeschlagene Musterwiderrufsbelehrung nicht dem Gesetz und auch nicht der Rechtsprechung des BGH, insbesondere im Hinblick auf die Fristenberechnung, entsprach (s. dazu: Flohr/Klapperich, a.a.O., Rn 55; Masuch NJW 2002, 2931, 2932; Schneider ZGS 2002, 381; aus der Rechtsprechung vor allem LG Halle BB 2006, 1878; insgesamt dazu Flohr, Franchisevertrag, S. 72 ff. m.w.N.).
Dieser Rechtsprechung der Instanzgerichte erteilte der BGH jedoch mit seinem Urteil vom 15.8.2012 (VIII ZR 378/11 – s. auch ZVertriebsR 2012, 336, Pressemitteilung) eine Absage, indem er feststellte, dass die Unternehmen, die eine Widerrufsbelehrung aufgrund von Anlage 2 zu § 14 der BGB-Informationspflichtenverordnung vorgenommen haben, Vertrauensschutz genießen. In entsprechender Weise hat dies das OLG Frankfurt in seinem Urteil vom 27.1.2016 (ZVertriebsR 2016, 88) festgestellt. Im 1. Leitsatz dieser Entscheidung heißt es: "(...) Die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV besteht nach der Rechtsprechung grundsätzlich nur dann, wenn ein Formular verwendet wird, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (vgl. BGH v.10.2.2015 – II ZR 163/14, juris Rn 8; BGH v.18.3.2014 m.w.N.). (...)"
Entsprechendes ergibt sich auch aus dem Urteil des OLG Stuttgart vom 29.9.2015 (ZVertriebsR 2016, 4). Insoweit heißt es in den ersten beiden Leitsätzen der Entscheidung:
Zitat
- Geringe textliche Abweichungen der Widerrufsbelehrung von der Musterbelehrung lassen die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV jedenfalls dann entfallen, wenn die erteilte Belehrung aufgrund der vorgenommenen Änderungen nicht in gleichem Maße deutlich ist wie die Musterbelehrung.
- Entscheidet sich der Verwender dafür, eine Belehrung zu den Widerrufsfolgen zu erteilen, obwohl ihm dies nach den Gestaltungshinweisen der Musterbelehrung freigestellt ist, muss sie dem Muster entsprechen, um dem Verwender die Schutzwirkung zu erhalten (Anschluss an BGH v. 28.6.2011 – XI ZR 349/10 [Rn 39], MDR 2011, 1250).
Seit dem 13.6.2014 ist nunmehr für die Widerrufsbelehrung das Gesetz zur Umsetzung der EU-Verbraucherrechte-Richtlinie (Richtlinie 2011/83/EU – ABl L 304/64; dazu ausführlich: Bittner/Klausnitzer/Föhlisch, Das neue Verbrauchervertragsrecht, 2014) zu beachten. Das neue seit dem 13.6.2014 zu verwendende Muster der Widerrufsbelehrung ist für bereits abgeschlossene Franchiseverträge ohne Bedeutung. Da das Gesetz keine Überleitungsvorschrift enthält, gilt das alte Recht für die bis zum 12.6.2014 abgeschlossenen Franchiseverträge fort. Dies bedeutet insbesondere, dass für diese Franchiseverträge weiterhin § 355 Abs. 4 BGB a.F. zu beachten ist. Unterblieb also – aus welchem Grund auch immer – eine Widerrufsbelehrung beim Abschluss eines Franchisevertrags oder wurde der Franchisenehmer unzutreffend belehrt, so kann dieser Franchisenehmer trotz des neuen seit dem 13.6.2014 geltenden Rechts zeitlich unbefristet seine auf Abschluss des Franchisevert...