Wohnimmobilienkreditrichtlinie wieder auf dem Prüfstand
Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie (WIKR) wurde auf europäischer Ebene verfasst und am 21.3.2016 in deutsches Recht umgesetzt. Die EU-Kommission wollte so verhindern, dass sich private Kreditnehmer mit Baudarlehen überschulden. Das Gesetz sorgte für viel Kritik in der Finanz- und der Immobilienwirtschaft, sodass es 2017 erstmals vom Bundestag reformiert und präzisiert wurde.
Im Mai 2021 veröffentlichte die Europäische Kommission einen Bericht zur WIKR und konsultierte die Überprüfung der Richtlinie. Dazu nahm die Deutsche Kreditwirtschaft am 1.3.2022 Stellung.
Wohnimmobilienkreditrichtlinie: Kreditwirtschaft will Widerrufsrecht nachbessern
Die Europäische Kommission kommt in dem Bericht zu dem Schluss, dass die Wohnimmobilienkreditrichtlinie den Verbraucherschutz wirksam erhöht hat und zur Harmonisierung der Kreditvergabepraxis beigetragen hat. Das sehen die Verbände der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) ähnlich.
Im Grundsatz seien die Vorgaben der WIKR geeignet, um ein hohes Niveau an Verbraucherschutz im Bereich Wohnimmobilienkredite zu gewährleisten, heißt es in der Stellungnahme zur öffentlichen Konsultation und zum Call-for-Evidence der EU-Kommission. Die Vorgaben der Kreditwürdigkeitsprüfung bedürften keiner Veränderung. Dies gelte auch für etwaige Vorgaben zu Kreditregistern.
Unter anderem das Widerrufsrecht würde die DK aber gerne zeitlich beschränkt haben – auch solle eine Muster-Belehrung als Formular in die Kreditrichtlinie aufgenommen werden. Zudem erfordere der digitale Vertrieb von Finanzprodukten Anpassungen im Wohnimmobilienkreditbereich.
Wohnimmobilienkreditlinie: Erste Reform 2017
Nach massiver Kritik aus Finanz- und Immobilienwirtschaft an den restriktiven Regelungen im Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften, hat der Bundestag Ende März 2017 die WIKR erstmals reformiert und präzisiert. Beklagt wurden unter anderem Einbrüche bei der Kreditvergabe und Benachteiligungen – etwa von jungen Familien und älteren Bauherren. Auch unscharf formulierte Regeln standen in der Kritik. Sie seien der Rechtssicherheit abträglich.
Mittlerweile dürfen unter anderem besonders sichere Kredite aus dem Anwendungsbereich herausgenommen werden und die Wertsteigerung von Immobilien wird bei der Kreditwürdigkeitsprüfung berücksichtigt. Auch die Prüfung von Anschlussfinanzierungen soll ohne die Anwendung der neuen Regeln erfolgen. Und Kredite für Renovierungen oder altersgerechten Umbau werden von den restriktiven Regelungen der Rückzahlfähigkeit aus dem laufenden Einkommen befreit. Generell sollen Darlehen zur Finanzierung von Renovierungen und Sanierungen zwecks Werterhalt außen vor bleiben.
In einer neu eingefügten Passage im sogenannten Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz, das am 9.6.2017 in Kraft trat und die Änderuneng der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie umfasst, ist eine Obergrenze für das Verhältnis von Darlehenshöhe und Immobilienwert (Beleihungsgrenze) definiert – des Weiteren die Vorgabe eines Zeitraums, in dem ein Anteil der Immobilienfinanzierung zurückgezahlt sein muss. Alternativ kann eine maximale Laufzeit vorgegeben werden.
Die Bundesregierung beauftragte im April 2020 das institut für finanzdienstleistungen (iff) e. V. mit der Evaluierung der Wohnimmobilienkredtlinie. Der Abschlussbericht wurde im Mai 2021 veröffentlicht.
Wohnimmobilienkreditlinie: Weniger Nachteile als gedacht?
An der Wohnimmobilienkreditrichtlinie in der ursprünglichen Form gab es viel Kritik, auch von Kreditgebern und aus der Immobilienbranche. Von einem heftigen Einbruch bei der Kreditvergabe war unter anderem die Rede – etwa soll jungen Familien und Senioren der Zugang zu Baudarlehen erheblich erschwert worden sein. Das wurde in einer Zwischenbilanz der Finanzierungsplattform Europace im Dezember 2016 teils entkräftet.
Die Auswertung der über die Plattform von Europace vermittelten Immobiliendarlehen gab Entwarnung für die Altersgruppe der 18- bis 30-Jährigen: Hier habe sich das Baufinanzierungsvolumen seit Einführung der Kreditrichtlinie im März 2016 um 8,5 Prozent erhöht; bei den 30- bis 40-Jährigen leicht um 0,4 Prozent. Bei den 40- bis 50-Jährigen ging das Volumen der Baufinanzierungen hingegen um vier Prozent zurück, bei den 50- bis 60-Jährigen um 2,2 Prozent und bei den 60 bis 70 Jahre alten Hausbauern sogar um 12,1 Prozent: Knapp jeder Fünfte zwischen 60 und 70, der einen Kredit haben wollte, bekam aufgrund der Richtlinie keinen mehr.
Auch Europace plädierte vor diesem Hintergrund für Änderungen an der Wohnimmobilienkreditrichtlinie. Der deutsche Gesetzgeber sei weit über die Vorgaben der EU hinausgeschossen. Auch der Immobilienverband IVD wies wiederholt darauf hin, dass die EU-Richtlinie weniger streng sei und plädierte dafür, dass der deutsche Gesetzgeber die Formulierung in der EU-Richtlinie wörtlich übernehmen solle.
Umsetzung von EU-Richtlinie
Mit dem Gesetz wurde im März 2016 die Richtlinie 2014/17/ЕU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.2.2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher in nationales Recht umgesetzt.
Generell gilt: Vor der Vergabe eines Immobilienkredits muss die Kreditwürdigkeit strenger geprüft werden als zuvor. Kommt trotz fehlender Kreditwürdigkeit ein Vertrag zustande, verstößt die Bank gegen ihre Pflichten, dann kann der Darlehensnehmer den Kreditvertrag jederzeit kündigen, ohne eine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen zu müssen. Für Kopplungsgeschäfte gilt ein weitgehendes Verbot.
Die Anforderungen an Vermittler von Immobilienkrediten wurden verschärft: Sie müssen zum Beispiel spezifische Sachkunde nachweisen. Eingeführt wurde zudem der unabhängige Honorarberater.
Bei Null-Prozent-Finanzierungen wurde ein Widerrufsrecht eingeräumt, das galt davor nicht. Der sogenannte "Widerrufsjoker" bei Kreditverträgen mit fehlerhaften Widerrufsbelehrungen wurde mit dem Gesetz abgeschafft. Bei zahlreichen Verträgen bestand für die Kreditnehmer bisher ein zeitlich unbeschränktes Widerrufsrecht, dieses "ewige Widerrufsrecht“ endete mithin am 21.6.2016.
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