Ob einem Franchisenehmer ein Ausgleichsanspruch für den von ihm aufgebauten Kundenstamm analog Handelsvertretergrundsätzen gem. § 89b HGB zusteht, ist problematisch und kann auch nicht allgemein beurteilt werden. Dies hängt vom jeweiligen Franchise-System, aber auch davon ab, ob der Franchisenehmer Einmalkunden oder sog. Stammkunden akquiriert hat. Eine allgemeine Aussage ist nicht möglich.
Es liegen zwar erstinstanzliche Entscheidungen des LG Frankfurt/M. vom 10.12.1999 (3/8 O 28/99 n.v.) und des LG Hanau vom 28.5.2005 (6 O 106/01 n.v.) vor, wobei das Urteil des LG Frankfurt/M. durch einen in der mündlichen Verhandlung vor dem OLG Frankfurt am 16.9.2003 (EWiR § 89b HGB 1/04) abgeschlossenen Vergleich bestätigt wurde, doch kommt es immer auf die Beurteilung des Franchisevertrags im Einzelfall an. Auch das OLG Celle geht in seinem Urteil vom 22.3.2007 (BB 2007, 930) davon aus, dass grundsätzlich einem Franchisenehmer ein Ausgleichsanspruch nach Handelsvertretergrundsätzen analog § 89b HGB zustehen kann.
Möglicherweise zeichnet sich aber eine Tendenzwende für den Ausgleichsanspruch eines Franchisenehmers nach Handelsvertretergrundsätzen ab: Der BGH hat nämlich mit Beschluss vom 29.4.2010 (GWR 2010, 523 = ZVertriebsR 2012, 55 – Joop!) festgestellt, dass eine entsprechende Anwendung des Handelsvertreterausgleichsanspruchs bei Markenlizenzverträgen nicht in Betracht kommt. Insoweit heißt es in den beiden Leitsätzen der Entscheidung:
Zitat
- Dem Lizenznehmer eines Markenlizenzvertrags kann bei Beendigung des Lizenzverhältnisses ein Ausgleichsanspruch nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur entsprechenden Anwendung des § 89b HGB (...) zustehen. Eine entsprechende Anwendung des § 89b HGB setzt demnach die Einbindung des Lizenznehmers in die Absatzorganisation des Lizenzgebers sowie die Verpflichtung des Lizenznehmers voraus, dem Lizenzgeber seinen Kundenstamm zu übertragen.
- Ist der Markeninhaber und Lizenzgeber auf dem Gebiet der vom Lizenznehmer vertriebenen Waren selbst nicht tätig, so sind die Voraussetzungen einer entsprechenden Anwendung des § 89b HGB im Regelfall nicht gegeben.
Daraus folgt, dass dann bei Franchiseverträgen kein Ausgleichsanspruch nach Handelsvertreterrecht zu gewähren ist, wenn der Schwerpunkt der vertraglichen Vereinbarungen lediglich in der Lizenzgewährung (Überlassung des Know-hows eines Franchise-Systems, Nutzung der Markenrechte) liegt und übliche Absatzförderungspflichten des Franchisenehmers nicht zur Einbindung in die Absatzorganisation des Franchisegebers führen (so auch Metzlaff ZVertriebsR 2012, 55 f.).
Eine weitere Einschränkung eines etwaigen Ausgleichsanspruchs eines Franchisenehmers bei Beendigung des Franchisevertrags analog § 89b HGB ergibt sich aus der Entscheidung des BGH vom 5.2.2015 (ZVertriebsR 2015, 112 – Kamps m. Anm. Rafsendjani; ausführlich dazu auch: Latzel ZVertriebsR 2015, 90). Dieser Entscheidung hat der BGH folgenden Leitsatz vorangestellt: "Bei Franchiseverträgen, die ein im Wesentlichen anonymes Massengeschäft betreffen, rechtfertigt eine bloße faktische Kontinuität des Kundenstamms nach Vertragsbeendigung eine entsprechende Anwendung der auf Handelsvertreter zugeschnittenen Bestimmung des § 89b HGB nicht. (...)." In der Entscheidung lässt es der BGH aber ausdrücklich offen, ob § 89b HGB grundsätzlich auf Franchiseverträge anzuwenden ist. Die Grundsatzfrage ist daher nach wie vor ungeklärt (insgesamt zu dieser Entwicklung in der Rechtsprechung zum Ausgleichsanspruch eines Franchisenehmers nach Handelsvertretergrundsätzen: Flohr, in: Handbuch, § 32 Rn 159–164).
Auch aus der zivilrechtlichen Rechtsprechung zur Anwendung von § 89b HGB auf Kommissionsagenturverhältnisse (dazu zuletzt noch OLG Oldenburg ZVertriebsR 2016, 182) kann nicht abgeleitet werden, dass grundsätzlich § 89b HGB auf Franchiseverträge anzuwenden ist. Vielmehr bleibt es dabei, dass bei Franchiseverträgen jeweils grundsätzlich geprüft werden muss, ob die Analogievoraussetzungen bei einer Anwendung von § 89b HGB gegeben sind, wobei der Anwendungsbereich von § 89b HGB auf Franchiseverträge auf der Grundlage der BGH-Entscheidungen vom 29.4.2010 und vom 5.2.2015 nur noch ein eingeschränkter sein kann.
Bislang war davon ausgegangen worden, dass für die Höhe des Ausgleichsanspruchs des Franchisenehmers analog den Handelsvertretergrundsätzen auf dessen Umsätze abzustellen ist. Dadurch, dass infolge der EuGH-Entscheidung vom 26.3.2009 (IHR 2009, 212 – Semen) § 89b Abs. 2 Nr. 2 HGB (Gesetz v. 31.7.2009, BGBl I 2009, S. 2512, 2519) abgeändert worden ist, stehen nicht mehr die Umsätze des Franchisenehmers im Vordergrund; vielmehr ist entscheidend, ob der Franchisegeber nach Beendigung des Franchisevertrags aus dem übernommenen Kundenstamm des Franchisenehmers weitere Vorteile herleiten kann. Die Umsätze des Franchisenehmers bzw. etwaige an diesen geleistete Provisionen sind nur noch im Rahmen der Billigkeitserwägungen gem. § 89b Nr. 2 HGB n.F. von Bedeutung (grundsätzlich Thume BB 2009, 2490; S...