1.13.2.1 aa) Belehrungspflicht
Sollte der Franchisenehmer Existenzgründer und damit Verbraucher i.S.v. § 13 BGB sein, so ist dieser, wenn der Masterfranchisevertrag zugleich eine Bezugsbindung enthält, über sein Widerrufsrecht gem. § 355 BGB zu belehren. Diese Widerrufsbelehrung orientierte sich zunächst an dem gesetzlichen Muster der 2. Änderungsverordnung zur BGB-Informationspflichtenverordnung (vgl. zum Ganzen und zum Mustertext Flohr/Klapperich, Rn 50 ff. m.w.N.; s. zur Wirkung des Widerrufs zusammenfassend BGH ZIP 2004, 1157, 1158 m.w.N.; zur Gestaltung der Widerrufsbelehrung BGH NJW-RR 2004, 751, 752 f.; BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15). Allgemein wurde allerdings davon ausgegangen, dass diese vom Verordnungsgeber vorgeschlagene Musterwiderrufsbelehrung nicht dem Gesetz und auch nicht der Rechtsprechung des BGH, insbesondere im Hinblick auf die Fristenberechnung, entsprach (s. dazu: Flohr/Klapperich, a.a.O., Rn 55; Masuch NJW 2002, 2931, 2932; Schneider ZGS 2002, 381; aus der Rechtsprechung vor allem LG Halle BB 2006, 1878; insgesamt dazu Flohr, Franchisevertrag, S. 72 ff. m.w.N.).
Dieser Rechtsprechung der Instanzgerichte erteilte der BGH jedoch mit seinem Urteil vom 15.8.2012 (VIII ZR 378/11 – s. auch ZVertriebsR 2012, 336, Pressemitteilung) eine Absage, indem er feststellte, dass die Unternehmen, die eine Widerrufsbelehrung aufgrund von Anlage 2 zu § 14 der BGB-Informationspflichtenverordnung vorgenommen haben, Vertrauensschutz genießen. In entsprechender Weise hat dies das OLG Frankfurt in seinem Urteil vom 27.1.2016 (ZVertriebsR 2016, 88) festgestellt. Im 1. Leitsatz dieser Entscheidung heißt es: "(...) Die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV besteht nach der Rechtsprechung grundsätzlich nur dann, wenn ein Formular verwendet wird, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (vgl. BGH v.10.2.2015 – II ZR 163/14, juris Rn 8; BGH v.18.3.2014 m.w.N.). (...)"
Entsprechendes ergibt sich auch aus dem Urteil des OLG Stuttgart vom 29.9.2015 (ZVertriebsR 2016, 4). Insoweit heißt es in den ersten beiden Leitsätzen der Entscheidung:
Zitat
- Geringe textliche Abweichungen der Widerrufsbelehrung von der Musterbelehrung lassen die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV jedenfalls dann entfallen, wenn die erteilte Belehrung aufgrund der vorgenommenen Änderungen nicht in gleichem Maße deutlich ist wie die Musterbelehrung.
- Entscheidet sich der Verwender dafür, eine Belehrung zu den Widerrufsfolgen zu erteilen, obwohl ihm dies nach den Gestaltungshinweisen der Musterbelehrung freigestellt ist, muss sie dem Muster entsprechen, um dem Verwender die Schutzwirkung zu erhalten (Anschluss an BGH v. 28.6.2011 – XI ZR 349/10 [Rn 39], MDR 2011, 1250).
Seit dem 13.6.2014 ist nunmehr für die Widerrufsbelehrung das Gesetz zur Umsetzung der EU-Verbraucherrechte-Richtlinie (Richtlinie 2011/83/EU – ABl L 304/64; dazu ausführlich: Bittner/Klausnitzer/Föhlisch, Das neue Verbrauchervertragsrecht, 2014) zu beachten. Das neue seit dem 13.6.2014 zu verwendende Muster der Widerrufsbelehrung ist für bereits abgeschlossene Franchiseverträge ohne Bedeutung. Da das Gesetz keine Überleitungsvorschrift enthält, gilt das alte Recht für die bis zum 12.6.2014 abgeschlossenen Franchiseverträge fort. Dies bedeutet insbesondere, dass für diese Franchiseverträge weiterhin § 355 Abs. 4 BGB a.F. zu beachten ist. Unterblieb also – aus welchem Grund auch immer – eine Widerrufsbelehrung beim Abschluss eines Franchisevertrags oder wurde der Franchisenehmer unzutreffend belehrt, so kann dieser Franchisenehmer trotz des neuen seit dem 13.6.2014 geltenden Rechts zeitlich unbefristet seine auf Abschluss des Franchisevertrags gerichtete Willenserklärung widerrufen und damit die Zusammenarbeit mit dem Franchisegeber beenden (zum Ganzen: Flohr, in: Handbuch, § 30 Rn 253 ff.). Nach neuem Recht erlischt in einem derartigen Fall gem. § 356 Abs. 3, S. 2 BGB das Widerrufsrecht 1 Jahr und 14 Tage nach Vertragsabschluss.
Allerdings hat das Umsetzungsgesetz trotz der möglichen Verwirkung des Widerrufsrechts gem. § 356 Abs. 3, S. 2 BGB und der darin liegenden Rechtssicherheit für Franchisegeber eine Neuerung mit sich gebracht, die für Franchise-Systeme nachteilig ist. Bislang wurde der Widerrufsbelehrung das amtliche Muster in Anlage 1 zum EGBGB zugrunde gelegt, da dieses Gesetzeskraft hatte. Seit dem 13.6.2014 gibt es aber das Muster zur Widerrufsbelehrung nicht mehr, sondern der Gesetzestext gibt Hinweise zu einer Vielzahl von Widerrufsbelehrungen – eben deswegen, weil das Gesetz insgesamt für Verbraucherverträge gilt und nicht ausschließlich für den Abschluss eines Franchisevertrags. Insofern muss jetzt jeder Franchisegeber wieder selbst das für sein Franchise-System maßgebliche Muster anhand dieser gesetzlichen Vorgaben erstellen. Damit ist der Vorteil eines "Muster der Widerrufsbelehrung mit Gesetzescharakter" entfallen. Hinzu kommt die streitige Frage, ob auch bei Franchiseverträgen wie bei Verbrauchervert...