In der letzten Zeit haben sich einige Entscheidungen mit der Auslagenerstattung bei einer Verfahrenseinstellung befasst. In dem dem BVerfG-Beschluss vom 26.5.2017 (2 BvR 1821/16, NJW 2017, 2459 = StRR 9/2017, 9) zugrunde liegenden Verfahren war der Angeklagte vom AG wegen Urkundenfälschung verurteilt worden. Er hatte gegen das Urteil Sprungrevision eingelegt. Das OLG hat das Verfahren auf Kosten der Staatskasse eingestellt, da dem Verfahren kein wirksamer Eröffnungsbeschluss zugrunde gelegen habe und somit ein Verfahrenshindernis bestehe (§ 206a Abs. 1 StPO). Es hat aber gem. § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO davon abgesehen, die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Mit seiner Verfassungsbeschwerde hat sich der ehemalige Angeklagte nach erfolgloser Gegenvorstellung gegen die Auslagenentscheidung in dem Beschluss des OLG gewandt. Die Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg.
Das BVerfG (a.a.O.) beanstandet einen Verstoß des OLG gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG. Das OLG habe im Widerspruch zum Gesetzeswortlaut und unter Verkennung des Zwecks des § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO die Versagung der Auslagenerstattung allein auf die Bejahung der Voraussetzungen des § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO gestützt, ohne das ihm insoweit eröffnete Ermessen auszuüben. Das zur Entscheidung berufene Rechtspflegeorgan dürfe seine Entscheidung aber nicht nach freiem Belieben treffen, sondern müsse das ihm eingeräumte Ermessen pflichtgemäß ausüben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.2.2010 – 1 BvR 285/10).
Gemessen an diesem Maßstab hat das BVerfG (a.a.O.) durch den OLG-Beschluss das Willkürverbot als verletzt angesehen. Als Ausnahme von dem Grundsatz des § 467 Abs. 1 StPO eröffne § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO die Möglichkeit, von der Erstattung der notwendigen Auslagen abzusehen, wenn der Angeschuldigte wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht. Das Ermessen – "kann davon absehen" – sei also erst dann eröffnet, wenn das Gericht überzeugt sei, dass der Angeschuldigte ohne das Verfahrenshindernis verurteilt werden würde. Zum Verfahrenshindernis als alleinigem der Verurteilung entgegenstehenden Umstand müssten demnach weitere besondere Umstände hinzutreten, die es billig erscheinen lassen, dem Angeschuldigten die Auslagenerstattung zu versagen (BVerfGK 3, 229, 232; BVerfG, Beschl. v. 29.10.2015 – 2 BvR 388/13). Die Ausführungen des OLG zur Auslagenentscheidung hatten nach Auffassung des BVerfG (Beschl. v. 26.5.2017 – 2 BvR 1821/16, NJW 2017, 2459 = StRR 9/2017, 9) indes keine Ermessenserwägungen zum Gegenstand, sondern befassten sich ausschließlich mit den tatbestandlichen Voraussetzungen, deren Vorliegen erst die zu treffende Ermessensentscheidung eröffne. Auch in dem Beschluss über die Gegenvorstellung des ehemaligen Angeklagten habe das OLG keine Ermessenserwägungen angestellt. Das BVerfG (a.a.O.) weist daraufhin, dass das OLG aufgrund der Art des Verfahrenshindernisses auch besondere Veranlassung gehabt hätte, das Absehen von einer Auslagenerstattung eingehend zu begründen. Während ein vom Angeschuldigten schuldhaft selbst herbeigeführtes Verfahrenshindernis es i.d.R. unbillig erscheinen lasse, dessen notwendige Auslagen – dem Grundsatz des § 467 Abs. 1 StPO entsprechend – der Staatskasse aufzuerlegen (vgl. Steinberger-Fraunhofer, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, 2. Aufl. 2016, § 467 Rn 26; Stöckel, in: KMR, StPO, Bd. 6 – Februar 2007, § 467 Rn 26), sei hier das Verfahrenshindernis vom AG zu vertreten, das seinen Eröffnungsbeschluss auf eine falsche, da bereits zurückgenommene, Anklageschrift bezogen habe. Bei einem durch einen Verfahrensfehler des Gerichts eingetretenen Verfahrenshindernis könne es der Billigkeit entsprechen, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzubürden (vgl. LR-Hilger, a.a.O., § 467 Rn 58). Hier sei zudem zu berücksichtigen, dass nach der Verfahrenseinstellung eine Verurteilung des ehemaligen Angeklagten in einem neuen Verfahren in Betracht komme, da die ihm zur Last gelegte Tat noch nicht verjährt sei. Sofern das OLG die damit verbundene mögliche doppelte Belastung des ehemaligen Angeklagten mit seinen notwendigen Auslagen erkannt und nicht für unbillig erachtet haben sollte, hätte es dies im Rahmen der anzustellenden Ermessenserwägungen begründen müssen (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.3.2006 – 3 Ws 61/06; OLG München, Beschl. v. 26. 2. 1987 – 2 Ws 176/87).
Hinweise:
- Nicht selten hat man nach der Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses bei der Kostenentscheidung den Eindruck, dass nach dem Grundsatz verfahren wird: "Wenn wir dich schon nicht verurteilen können, dann wollen wir dich wenigstens finanziell bestrafen". Das ist für die betroffenen Beschuldigten vor allem dann misslich, wenn das Verfahren durch die Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses nicht endgültig erledigt ist, sondern noch einmal Anklage erhoben werden kann; so lag der Fall hier. Denn dann droht eine "D...