Bei dem Zusammenstoß eines Kfz mit einer Straßenbahn ist grundsätzlich zu beachten, dass der Straßenbahn aufgrund ihres fehlenden Ausweichvermögens, ihrer größeren Bewegungsenergie und ihres schwerfälligeren Bremsvermögens eine höhere (einfache) Betriebsgefahr zukommt. Soweit sich diese Umstände auf das einzelne Unfallgeschehen auswirken, ist dies bei der Haftungsverteilung zu berücksichtigen, so dass z.B. bei der Abwägung lediglich der einfachen Betriebsgefahren der Straßenbahnhalter mit einem überwiegenden Anteil von etwa 2/3 haften wird.
1. Auffahrunfall
Beim Auffahren einer Straßenbahn auf ein im Gleisbereich anhaltendes oder stehendes Fahrzeug kommt trotz des Vorrechts der Straßenbahn gem. § 2 Abs. 3 StVO i.d.R. eine Haftungsverteilung im Verhältnis 1:1 oder 2:1 zu Lasten des Straßenbahnhalters in Betracht.
Hinweis:
Diese Haftungsverteilung kann sich jedoch zu Lasten des Kfz-Halters (z.B. bei Einfahren in den Schienenbereich erst kurz vor der Straßenbahn und gleichzeitigem Erkennen, kurze Zeit später anhalten zu müssen) oder zu Lasten des Straßenbahnhalters (z.B. bei verspäteter Einleitung des Bremsvorgangs oder Versagen der Bremse) verändern.
Hält das Kfz zwecks Linksabbiegens wegen Gegenverkehrs an und fährt die Straßenbahn auf, kommt es bei der Haftungsverteilung vor allem darauf an, in welcher Entfernung vor der Straßenbahn das Kfz in den Gleisbereich eingefahren ist, ob die Straßenbahn schon zu sehen war und ob der Kfz-Fahrer wegen Gegenverkehr damit zu rechnen hatte, dort anhalten zu müssen; notfalls ist vom Kfz-Fahrer zu verlangen, auf das Befahren des Schienenbereichs zu verzichten oder seine Geradeausfahrt fortzusetzen (§§ 2 Abs. 3, 9 Abs. 1 S. 3 StVO; BGH NJW 2013, 3235 [33 % Kfz]; KG NZV 2005, 416 [50 %]; OLG Düsseldorf NZV 1994, 28 [100 % Kfz]; Grüneberg, a.a.O., Rn 332).
Hält das Kfz aus verkehrsbedingten Gründen (vor Ampel, Fußgängerüberweg etc.) im Gleisbereich, kommt i.d.R. eine Schadensverteilung im Verhältnis 1:1 in Betracht, wenn der Kfz-Fahrer bei rechtzeitigem Erkennen des Verkehrshindernisses auch außerhalb des Schienenbereichs hätte anhalten können (§ 2 Abs. 3 StVO; OLG Düsseldorf VersR 1969, 1026; OLG Hamburg VersR 1967, 563; OLG Hamm NJW-RR 2005, 817; Grüneberg, a.a.O., Rn 333). Beginnt der Kfz-Fahrer mit dem Abbiegevorgang unmittelbar vor der herannahenden Straßenbahn und verstößt er damit gegen § 9 Abs. 1 S. 3 StVO, ist i.d.R. von seiner Alleinhaftung auszugehen (BGH VersR 1977, 455; KG NZV 2001, 426 [50 %]; Grüneberg, a.a.O., Rn 334).
2. Gegenverkehr
Kommt es zu einem Begegnungszusammenstoß aufgrund eines geänderten Schienenverlaufs, trifft den Straßenbahnhalter i.d.R. die alleinige Haftung (BGH VersR 1961, 234 [80 %]; OLG Neustadt VersR 1954, 308). Bei einer Kollision eines zu weit im Schienenbereich zwecks Linksabbiegens stehenden Kfz mit einer entgegenkommenden Straßenbahn ist i.d.R. trotz des bestehenden Vorrechts der Straßenbahn gem. § 9 Abs. 3 StVO von einer Schadensverteilung im Verhältnis 1:1 auszugehen (OLG Hamm VersR 1974, 1228).
3. Kreuzungsverkehr
Kommt es auf einer ampelgeregelten Kreuzung zu einem Zusammenstoß, trifft denjenigen Verkehrsteilnehmer die alleinige Haftung, der einen Rotlichtverstoß begangen hat. Eine Schadensaufteilung kommt dagegen z.B. in Betracht, wenn ein Verkehrsteilnehmer sofort nach Aufleuchten des Grünlichts mit „fliegendem Start“ in die Kreuzung eingefahren ist (Einzelfälle bei Grüneberg, a.a.O., Rn 325). Bei einer durch Vorfahrtszeichen geregelten Kreuzung ist bei einer Vorfahrtsverletzung des Kfz-Fahrers von dessen Alleinhaftung nur dann auszugehen, wenn sich der Straßenbahnfahrer verkehrsgerecht verhalten hat, während bei einer bereits geringen Mitverursachung des Straßenbahnfahrers (z.B. verspätete Einleitung des Bremsvorgangs, Versagen der Strombremse) aufgrund der höheren Betriebsgefahr der Straßenbahn i.d.R. schon eine Schadensverteilung im Verhältnis 1:1 in Betracht kommt (BGH VersR 1960, 323 [67 %]; KG VM 1998, 51 [50 %]; OLG Karlsruhe VersR 1992, 370 [67 %]; Grüneberg, a.a.O., Rn 326).