Bei Verletzungen des Beifahrers kommt im Falle eines insoweit kausal gewordenen Verstoßes gegen die Gurtpflicht gem. § 21a Abs. 1 StVO eine Mitverschuldensquote von 20–30 % in Betracht (BGHZ 119, 268, 270 = NJW 1993, 53; OLG Frankfurt VersR 1987, 670 [30 %]; OLG Hamm NZV 1996, 33 [30 %]; OLG München r+s 2014, 100 [33 %]; OLG Saarbrücken VersR 1987, 774 [50 %]; OLG Karlsruhe NZV 1999, 422 [20 %; Mitfahrt in überbesetztem Sportwagen]). Bei einem groben Verschulden des Unfallverursachers kann allerdings das Verschulden des Beifahrers ausnahmsweise auch gänzlich zurücktreten (BGH NJW 1998, 1137; OLG Karlsruhe NZV 2010, 26).
Hinweis:
Gleiches gilt bei einem Verstoß gegen die Helmpflicht des § 21a Abs. 2 StVO in Bezug auf Kopfverletzungen und etwaige Folgeschäden, die der Fahrer eines Kraftrads bzw. dessen Beifahrer bei einem Unfall erleidet (BGH NJW 1980, 2125; NJW 1979, 980; VersR 1983, 440; NJW 1990, 2615; OLG Nürnberg VRS 77, 23 [30 %]).
Die Gurtpflicht gilt auch für einen Taxifahrer auf einer längeren Leerfahrt (BGHZ 83, 71, 73 = NJW 1982, 985). Ein Nichtangurten begründet nur dann eine fehlende Mitverantwortung, wenn die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 5b StVO vorliegen (BGHZ 119, 268, 271 = NJW 1993, 53).
Der nicht angeschnallte Beifahrer kann sich nicht darauf berufen, der Fahrer sei ebenfalls nicht angeschnallt gewesen (OLG Karlsruhe VRS 65, 96). Eine Mitursächlichkeit des Verstoßes gegen die Gurtpflicht ist bei Verletzungen des Kopfs sowie der oberen und unteren Extremitäten im Wege des Anscheinsbeweises anzunehmen, wenn sie durch einen Frontalzusammenstoß, einen Auffahrunfall oder durch Herausschleudern aus dem Fahrzeug entstanden sind (BGH NJW 1991, 230, 231; OLG Frankfurt NZV 2005, 524), nicht dagegen bei schweren Frontalzusammenstößen, bei seitlichem Überschlagen des Kfz oder wenn sonst die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs besteht (BGH NJW 1980, 2125; OLG Celle MDR 2009, 1273; OLG Naumburg MDR 2008, 1031).
Hinweis:
Eine Haftungsquote kann nur in Bezug auf die kausal verursachten Verletzungen gebildet werden; die Bildung einer einheitlichen Quote ist nur ausnahmsweise zulässig (BGH NJW 1980, 2125; NJW 1990, 2615).
Im Verhältnis zum Fahrer bzw. Halter ist der Beifahrer nicht verpflichtet, die Fahrweise des Fahrers oder die Verkehrslage zu beobachten, sofern es sich nicht um den mitfahrenden Halter oder einen Weisungsberechtigten handelt (BGH NJW 1965, 1075; VersR 1953, 198; 1959, 890; vgl. auch OLG Braunschweig DAR 1976, 71 [Co-Pilot bei einer Rallyefahrt]). Fehlende Fahrpraxis kann nur ausnahmsweise bei besonderer Schwierigkeit der Fahrt eine Mitverantwortung des Beifahrers begründen (BGH NJW 1965, 1075); entsprechendes gilt für eine Fahrt bei schwierigen Straßenverhältnissen (z.B. Glätte) oder bei erheblicher Überschreitung der Autobahn-Richtgeschwindigkeit (OLG Hamburg VersR 1970, 188; OLG Hamm NZV 1999, 466). Ein Mitverschuldensvorwurf kommt aber in Betracht, wenn der Mitfahrer Zweifel an der Fahrtüchtigkeit des (z.B. alkoholisierten) Fahrers haben muss (BGH VersR 1960, 1146; NJW 1979, 2109; 1988, 2365, 2366; OLG Oldenburg DAR 1998, 277), auch wenn der Geschädigte die Fahruntüchtigkeit des Fahrers wegen eigener Trunkenheit nicht erkannt hat (OLG Hamm MDR 1996, 149), bei einer erkennbaren Übermüdung des Fahrers (BGH NJW 1988, 2365, 2366; OLG Düsseldorf VersR 1975, 57; OLG Frankfurt VersR 1989, 1097), bei einer bekannten Neigung zu Verkehrsverstößen (BGH DAR 1960, 204; OLG München VersR 1962, 556), bei einer erkennbaren Überladung des Fahrzeugs (BGH VersR 1964, 1047) und vor allem bei dem bekannten Fehlen der Fahrerlaubnis (BGHZ 34, 355, 366 = NJW 1961, 655; BGH NJW 1978, 421; OLG Bamberg VersR 1985, 787) oder fehlender Zulassung des Kfz (BGH VersR 1969, 424). Der Verursachungsanteil des Insassen erhöht sich, wenn er z.B. den Fahrer zu weiterem Alkoholgenuss veranlasst (OLG Oldenburg DAR 1963, 300; vgl. auch OLG Koblenz VersR 1980, 238) oder Bedenken des Fahrers gegen den Antritt der Fahrt zerstreut hat (BGH VersR 1962, 84; OLG Köln VersR 1970, 914; OLG Zweibrücken VersR 1978, 1030).
Beim Sturz eines Fahrgastes in Bus oder Straßenbahn kommt eine (Mit-)Haftung des Halters nur in Betracht, wenn für den Fahrer z.B. beim Anfahren oder Abbremsen eine Gefährdung des Fahrgastes erkennbar war (ältere Person oder Person mit Gehhilfen); ansonsten ist ein Sturz im Wege des Anscheinsbeweises als selbstverschuldet anzusehen (BGH NJW 1993, 654 [Anfahrvorgang]; OLG Celle NJW-RR 2018, 1231 [Anfahrvorgang]; OLG Düsseldorf NZV 1994, 195 [automatische Schließvorrichtung]; OLG Hamm NJW-RR 1998, 1402 [starkes Abbremsen]). Insbesondere besteht für den Fahrer i.d.R. keine Pflicht, mit der Abfahrt zu warten, bis sich neu eingestiegene Fahrgäste gesetzt haben (OLG Düsseldorf VersR 2000, 70).
Bei einer Haftung des Halters kann ein Mitverschulden des Fahrgastes vorliegen, wenn er sich nicht festgehalten oder keinen freien Sitzplatz eingenommen hat (BGH NJW 1993, 654; KG NZV 2013, 78; OLG Hamm NJW 2017, ...