Im Regelfall ist dem im Wege der Prozesskostenhilfe (PKH) beigeordneten Rechtsanwalt daran gelegen, seinen fälligen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse möglichst zeitnah zu realisieren. Dies gelingt in der Praxis häufig nicht, weil – insbesondere bei vielen Sozialgerichten – die Bearbeitungszeiten für die Entscheidung über einen Festsetzungsantrag des PKH-Anwalts recht lang sind. In dem vom Bay. LSG (RVGreport 2018, 332 [Hansens]) entschiedenen Fall lag jedoch die Verzögerung an dem Verhalten der beigeordneten Rechtsanwältin.
1. Fall des Bayerischen LSG
In jenem Fall hatte das SG Landshut der Klägerin für den dort anhängigen Rechtsstreit durch Beschluss vom 3.3.2008 PKH unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten bewilligt. Der Rechtsstreit endete durch den am 26.11.2008 in mündlicher Verhandlung geschlossenen Vergleich. Erst am 17.2.2015 beantragte die der Klägerin beigeordnete Rechtsanwältin, die ihr aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 785,40 EUR festzusetzen. Unter dem 23.2.2015 wies der UdG die Rechtsanwältin mit kurzer Begründung darauf hin, dem Antrag könne nur in Höhe eines Betrags von 690,20 EUR entsprochen werden. Dementsprechend hat der UdG unter dem unrichtigen Datum vom 23.2.2015 nur einen Vergütungsbetrag i.H.v. 690,20 EUR festgesetzt und den Betrag zur Zahlung auf das Konto der Rechtsanwältin angewiesen.
Mit der hiergegen gerichteten Erinnerung vom 11.3.2015 hat die Staatskasse die Einrede der Verjährung erhoben und geltend gemacht, die Anwältin müsse die zu Unrecht ausgezahlte Vergütung zurückzahlen. Das SG Landshut hat auf diese Erinnerung der Einrede stattgeben, die Festsetzung vom 23.2.2015 wegen Verjährung aufgehoben und die Vergütung der Rechtsanwältin auf 0 EUR festgesetzt. Gleichzeitig hat das SG die Rechtsanwältin zur Rückerstattung der gezahlten Vergütung i.H.v. 690,20 EUR verpflichtet.
Hiergegen hat die Rechtsanwältin Beschwerde eingelegt. Außerdem hat sie im Beschwerdeverfahren den seinerzeit nicht ausgezahlten Differenzbetrag i.H.v. (785,40 EUR – 690,20 EUR =) 95,20 EUR geltend gemacht. Letzteres hat die Rechtsanwältin damit begründet, der Betrag sei seinerzeit nicht festgesetzt worden, so dass sich auch die Einrede der Verjährung nicht hierauf beziehen könne. Die Beschwerde der Anwältin hatte beim Bay. LSG überwiegend Erfolg.
2. Verjährung des Vergütungsanspruchs
Das Bay. LSG (RVGreport 2018, 332 [Hansens]) hat zunächst die Auffassung der Vorinstanz geteilt, der Vergütungsanspruch der beigeordneten Rechtsanwältin gegen die Staatskasse sei verjährt. Der Vergütungsanspruch sei nämlich mit Abschluss des den Rechtsstreit beendenden und wirksamen Vergleichs vom 26.11.2008 an diesem Tag gem. § 8 Abs. 1 RVG fällig geworden. Er unterliege gem. § 195 BGB der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Diese Verjährungsfrist beginne mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei, somit am 31.12.2008. Somit sei der Vergütungsanspruch der Anwältin zum 1.1.2012 verjährt. Ihren Festsetzungsantrag hatte die Rechtsanwältin jedoch erst am 17.2.2015 eingereicht.
3. Rechtsfolgen der Verjährung
Das Bay. LSG hat darauf hingewiesen, dass die Rechtsfolgen der Verjährung in § 214 BGB geregelt seien. Danach sei der Schuldner gem. § 214 Abs. 1 BGB nach Eintritt der Verjährung berechtigt, seine Leistung zu verweigern. Allerdings bleibe die verjährte Forderung erfüllbar. Es bestehe somit lediglich ein dauerndes Leistungsverweigerungsrecht. Gemäß § 214 Abs. 2 BGB könne das zur Befriedigung eines verjährten Anspruchs Geleistete nicht zurückgefordert werden, auch wenn in Unkenntnis der Verjährung geleistet worden sei. Ein solcher Fall hat hier nach Auffassung des Bay. LSG vorgelegen. Der UdG des SG Landshut habe nämlich trotz Verjährung des Vergütungsanspruchs den am 23.2.2015 festgesetzten Betrag zur Auszahlung angewiesen. Diese Auszahlung sei auch erfolgt. Dass die Auszahlung in Unkenntnis der Verjährung getätigt wurde, ist nach Auffassung des Bay. LSG nach der Bestimmung des § 214 Abs. 2 BGB ohne Belang. Dies führte im entschiedenen Fall dazu, dass eine Rückforderung des ausgezahlten Vergütungsanspruchs i.H.v. 690,20 EUR von der Rechtsanwältin nicht zulässig war.
4. Auch Restanspruch verjährt
Der bei der Festsetzung vom 23.2.2015 unberücksichtigt gebliebene Betrag von 95,20 EUR brutto ist nach den weiteren Ausführungen des Bay. LSG ebenfalls verjährt. Die am 11.3.2015 von der Staatskasse erhobene Verjährungseinrede habe sich nämlich auf den gesamten mit Festsetzungsantrag vom 17.2.2015 von der Rechtsanwältin geltend gemachten Vergütungsbetrag i.H.v. ursprünglich 785,40 EUR bezogen und nicht nur auf die letztlich festgesetzten 690,20 EUR.
5. Richtige Verfahrensweise des Gerichts
Obwohl es im Büro der beigeordneten Rechtsanwältin nach Eintritt der Fälligkeit der Anwaltsvergütung am 26.11.2008 versäumt worden war, den Anspruch auf Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung rechtzeitig geltend zu machen, hatte die Anwältin im Fall des Bay. LSG Glück. Denn auch bei der Staatskasse ist nicht alles so gelaufen, wie es eigentlich hätte sein sollen.
Dem mit dem Festsetzungsantrag der Rechtsanwältin vom 17.2.2015 befassten UdG hätte es eigentlich auffallen müss...