I. Neues zur Aktenversendungspauschale
Die Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 GKG KV oder Nr. 2003 FamGKG KV stellt zwar nur einen verhältnismäßig geringen Auslagenbetrag dar; jedoch fällt diese Pauschale in vielen Gerichtsverfahren an. Gleichwohl wenden die Gerichte den Auslagentatbestand nicht immer richtig an.
1. Gesetzliche Regelung
Nach Nr. 9003 GKG KV und Nr. 2003 FamGKG KV fällt für die bei der Versendung von Akten auf Antrag anfallenden Auslagen an Transport- und Verpackungskosten je Sendung eine Pauschale i.H.v. 12 EUR an.
Hinweise:
- Dabei gilt nach der jeweiligen Anmerkung zu dieser Vorschrift die Hin- und Rücksendung der Akten durch Gerichte zusammen als eine einzige Sendung.
- Nach § 28 Abs. 2 GKG, § 23 Abs. 2 FamGKG schuldet die Aktenversendungspauschale nur derjenige, der die Versendung der Akte beantragt hat.
Die Aktenversendungspauschale gehört zu den gerichtlichen Auslagen. Dies ergibt sich bereits aus der Einordnung der gesetzlichen Vorschrift in den die Auslagen betreffenden Teil 9 GKG KV und Teil 2 FamGKG KV. Somit fällt die Aktenversendungspauschale auch dann an, wenn das gerichtliche Verfahren, in dem die Aktenversendung erfolgt, gebührenfrei ist, wie es gem. § 66 Abs. 8 S. 1 GKG für das Verfahren über die Erinnerung gegen den Gerichtskostenansatz gilt (s. Bay. LSG RVGreport 2018, 396 [Hansens]). Die Gerichtsgebührenfreiheit schließt nämlich nicht aus, dass in dem betreffenden Verfahren gerichtliche Auslagen entstehen, zu denen auch die Aktenversendungspauschale gehört.
2. Abgeltungsbereich der Pauschale
Die Aktenversendungspauschale deckt ihrem Wortlaut nach nur die Auslagen für Transport- und Verpackungskosten des Gerichts ab. Demgegenüber lösen gerichtsinterne Kosten, wie etwa der personelle Aufwand für das Heraussuchen der Akten und deren Versandfertigmachung, die Aktenversendungspauschale nicht aus (Bay. LSG RVGreport 2018, 396 [Hansens.]).
3. Begriff der Aktenversendung
Unter dem Begriff der Sendung versteht der allgemeine Sprachgebrauch die Lieferung der in einer mit der Anschrift des Empfängers versehenen Transportverpackung enthaltenen Gegenstände durch die Post oder einen anderen Transportdienstleister. Folglich ist es für den Anfall der Aktenversendungspauschale unerheblich, ob der Briefumschlag des Gerichts oder das von ihm versandte Paket eine oder mehrere Akten enthalten oder ob mehrere Akten zum gleichen Verfahren gehören (Bay. LSG a.a.O.).
Der Begriff der Versendung bedeutet, dass die Akten tatsächlich an einen anderen Ort geschickt werden müssen (Volpert, in: Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl., Teil A: "Gerichtskosten" Rn 1115 ff.). Unter diesem "Ort" ist jedoch nicht die Gemeinde zu verstehen, in der das die Akten führende Gericht seinen Sitz hat. Vielmehr liegt eine die Aktenversendungspauschale auslösende Versendung schon dann vor, wenn die Akten das Gerichtsgebäude verlassen und an einen außerhalb des Gerichtsgebäudes liegenden Ort zum Adressaten gebracht werden (OLG Koblenz RVGreport 2013, 328 [Hansens] = zfs 2013, 465 m. Anm. Hansens = AGS 2014, 23; OLG Köln RVGreport 2015, 197 [Burhoff] = AGS 2014, 513; OLG Celle AGS 2016, 224; Hower NJW 2013, 2077).
Beispiel:
Der in Köln kanzleiansässige Verteidiger beantragt bei dem AG Köln, ihm die dort geführten Strafakten in sein Büro zu übersenden.
Auch die Aktenversendung innerhalb der Stadt Köln löst die Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 GKG KV aus (so AG Köln RVGreport 2018, 347 [Burhoff]). Mit der Versendung haben nämlich die Akten das Gerichtsgebäude verlassen und sind an die Büroanschrift des Verteidigers versendet worden. Das AG Köln hat im Übrigen die somit angefallene Aktenversendungspauschale auch als erstattungsfähig angesehen. Dies hat das AG damit begründet, einem ortsansässigen Rechtsanwalt sei nicht zumutbar, das die Akten führende Gericht für jede Akteneinsicht persönlich aufzusuchen. Es wäre auch nicht für den Verteidiger kostengünstiger gewesen, die Akte auf der Geschäftsstelle einzusehen oder einen Boten zu schicken. Als weitere Begründung hat das AG Köln angeführt, es würde zu einer Ungleichbehandlung gegenüber einem nicht am Gerichtsort kanzleiansässigen Rechtsanwalt führen, wenn man die Erstattung der Aktenversendungspauschale bei einem ortsansässigen Anwalt verneinen würde.
4. Versendung mehrerer Akten
Schwierigkeiten haben die Gerichte bei der Berechnung der Aktenversendungspauschale häufig dann, wenn mehrere Akten versendet werden. Dabei sind folgende Sachverhalte zu unterscheiden.
a) In einer Sendung
Erhält derselbe Kostenschuldner von derselben Versendestelle – etwa von demselben Gericht – mehrere Akten in einer Sendung, fällt die Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 GKG KV nur einmal an.
Hinweis:
Dies gilt unabhängig davon, ob die mehreren Akten dasselbe Gerichtsverfahren betreffen oder – wie im Fall des Bay. LSG (RVGreport 2018, 396 [Hansens]) – verschiedene Verfahren (BSG RVGreport 2015, 356 [Hansens] = zfs 2015, 461 m. Anm. Hansens = AGS 2015, 398; NK-GK/Volpert, 2. Aufl. 2017, Nr. 9003 GKG KV Rn 13).
Nur wenn der Antragsteller ausdrücklich die Übersendung einzelner Aktenteile eines Verfahrens in gesonderten Teilsendungen beantragt, werden hierdur...