Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Der seit dem Jahr 2012 bei dem beklagten Bauunternehmen als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigte Kläger erhielt Stundenlohn i.H.v. 13 EUR brutto. Nach Erhalt der Kündigung meldete sich der Kläger arbeitsunfähig krank und legte der Beklagten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Die Beklagte verweigerte die Entgeltfortzahlung für den Monat Oktober 2015, weshalb der Kläger mit am 18.1.2016 zugestelltem Schriftsatz die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den Monat Oktober 2015 verlangte. Der Kläger ist der Ansicht, sein Anspruch sei nicht verfallen. Die Ausschlussfristenregelung des für allgemeinverbindlich erklärten § 14 Abs. 1 BRTV-Bau sei insgesamt unwirksam, weil sie den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnehme. Die Klage hatte in allen drei Instanzen im Umfang des Mindestlohns (von damals 8,50 EUR je Stunde) Erfolg. Der übersteigende Anteil der Forderung ist aufgrund der tariflichen Ausschlussfrist verfallen.
Nach Auffassung des BAG (Urt. v. 20.6.2018 – 5 AZR 377/17, EzA-SD 2018, Nr. 22, 8) folgt der Entgeltfortzahlungsanspruch des Klägers für die Zeit seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit aus § 3 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 EFZG in Höhe des Mindestlohns, nicht jedoch unmittelbar aus § 1 MiLoG, weil die Bestimmungen über den Mindestlohn nur für tatsächlich geleistete Arbeit gelten. Der Arbeitgeber habe dem Arbeitnehmer für die Zeit, die infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ausfalle, das Entgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall bei Erbringung der Arbeitsleistung erhalten hätte. Damit bleibe ihm auch der Mindestlohn als untere Grenze des fortzuzahlenden Entgelts erhalten. Zugleich gebiete es der Schutzzweck des § 3 S. 1 MiLoG, den Entgeltfortzahlungsanspruch in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns entsprechend zu sichern. Vereinbarungen, welche die Geltendmachung des fortzuzahlenden Mindestlohns i.S.d. § 3 S. 1 MiLoG beschränken, seien insoweit unwirksam. Zu solchen Vereinbarungen gehörten zum einen arbeitsvertragliche und zum anderen auch tarifliche Ausschlussfristen. Anders als bei Ausschlussfristen, die arbeitsvertraglich in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart seien, unterlägen Tarifregelungen gem. § 310 Abs. 4 S. 1 BGB indes keiner Transparenzkontrolle.
Hinweise:
- Das BAG hat entschieden, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 Abs. 1 EFZG trotz seiner Unabdingbarkeit (§ 12 EFZG) grundsätzlich einer tariflichen Ausschlussfrist unterworfen werden kann.
- Eine den Mindestlohn umfassende vertragliche Ausschlussfrist ist nach § 307 BGB insgesamt unwirksam.
- Eine tarifliche Ausschlussfrist (vgl. § 14 BRTV-Bau, § 37 TV-L, § 37 TVöD, § 70 BAT etc.) ist nur im Umfang des § 3 S. 1 MiLoG unwirksam, soweit sie auch den während der Arbeitsunfähigkeit nach §§ 3 Abs. 1; 4 Abs. 1 EFZG fortzuzahlenden gesetzlichen Mindestlohn erfasst. Im Übrigen bleibt die Ausschlussfrist wirksam und der übersteigende Tariflohn verfällt.