Wann genau das Arbeitsverhältnis eines Unternehmensjuristen durch seine anwaltliche Tätigkeit geprägt ist, war bisher umstritten. Der Anwaltssenat des BGH hat jetzt eine konkrete Zahl genannt: Nach Auffassung der Richter liegt ein Anteil von 65 % anwaltlicher Tätigkeit am unteren Rand des für eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt Notwendigen (Urt. v. 30.9.2019 – AnwZ [Brfg] 63/17; s. dazu ZAP EN-Nr. 744/2019 [in dieser Ausgabe]).
Der BGH hatte über den Fall eines Personalleiters bei einer GmbH & Co. KG zu befinden. Der leitende Angestellte war auf Antrag hin zunächst als Syndikusrechtsanwalt zugelassen worden. Hiergegen hatte die Deutsche Rentenversicherung Bund geklagt: Es fehle an der Befugnis, für seinen Arbeitgeber nach außen verantwortlich aufzutreten und an einer anwaltlichen Prägung des Arbeitsverhältnisses. Dieser Argumentation folgte auch der AGH Stuttgart und hob den Zulassungsbescheid wieder auf.
Vor dem Anwaltssenat des BGH hatte die AGH-Entscheidung allerdings keinen Bestand. Der Senat billigte die seinerzeitige Zulassung des Syndikusanwalts, machte zugleich aber auch klare Aussagen zu den Voraussetzungen einer solchen Zulassung. Bislang hatte er es immer offengelassen, wie hoch der Anteil der anwaltlichen Tätigkeiten im Beschäftigungsverhältnis sein muss, um es i.S.d. § 46 BRAO zu "prägen". Dementsprechend sind bisher in Rspr. und Literatur unterschiedliche Angaben, wie etwa 50 %, 60 % oder auch 70 % zu finden. Nun hat der BGH sich festgelegt: Ein Anteil von 65 % anwaltlicher Tätigkeit liegt am unteren Rand des für eine anwaltliche Prägung des Arbeitsverhältnisses Erforderlichen. Sie muss den Kern oder Schwerpunkt der Tätigkeit darstellen, mithin das Arbeitsverhältnis beherrschen.
Noch eine weitere bisher umstrittene Frage hat der BGH in diesem Zuge geklärt. Es geht dabei um die in § 46 Abs. 3 BRAO genannte Befugnis, für den Arbeitgeber "nach außen hin verantwortlich aufzutreten". Hier war bislang streitig, ob damit eine Gesamtvertretungsbefugnis gemeint ist. Das hat der Anwaltssenat jetzt verneint. Für dieses Tatbestandsmerkmal – so interpretiert der Senat die Vorschrift – sei weder Alleinvertretungs- noch Gesamtvertretungsbefugnis erforderlich. Die Befugnis, nach außen verantwortlich aufzutreten, könne sich im Einzelfall auch aus der selbstständigen Führung von Verhandlungen oder der Wahrnehmung vergleichbarer Tätigkeiten ergeben. Dies zeige sich an einem Vergleich des im Einzelfall ohne förmliche Vertretungsbefugnis tätigen Syndikusrechtsanwalts mit einem externen Rechtsanwalt, der mit der Führung außergerichtlicher Verhandlungen beauftragt werde. Auch letzterer werde regelmäßig seine Verhandlungsergebnisse vor Abschluss verbindlicher Vereinbarungen dem Auftraggeber vorstellen und sich dessen Zustimmung versichern. Es liege bei ihm im Ergebnis also nicht anders als bei einem angestellten Syndikusrechtsanwalt.
[Quelle: BGH]