Seit den Urteilen des BAG vom 19.2.2019 (9 AZR 541/15, NZA 2019, 982 ff.) und v. 19.2.2019 (9 AZR 423/16, NZA 2019, 977 ff.) stellen sich in der Praxis einige Fragen, wie und wann der Arbeitgeber seiner Mitwirkungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer, den Urlaub zu nehmen, nachkommen kann. Auf der anderen Seite fragt sich mancher Arbeitnehmer, ob er nun wertvollen „Urlaub ohne Ende” beanspruchen kann.
Den vorgenannten Urteilen sind die EuGH-Urteile v. 6.11.2018 (Rs. C–684/16, Max-Planck-Gesellschaft e.V../.Shimizu, ECLI:EU:C:2018:874, NZA 2018, 1474 ff.) und v. 6.11.2018 (Rs. C–619/16, Kreuziger./.Land Berlin, ECLI:EU:C:2018:872, NZA 2019, 36 ff.) vorangegangen.
Danach ist das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) stets konform mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG vom 4.11.2003, insb. mit deren Art. 7, auszulegen. Jeder Arbeitnehmer hat nach Art. 7 EU Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG vier Wochen bezahlten Mindesturlaub im Jahr. Für die Inanspruchnahme und Gewährung wird dabei auf nationales Recht, also das BUrlG verwiesen. Weiter legt die Arbeitszeitrichtlinie fest, dass der Mindesturlaub nicht durch eine finanzielle Abgeltung zu ersetzen ist – ausgenommen bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Es ergibt sich bereits aus § 1 BUrlG, dass der Urlaub Erholungszwecken dient. Die Rechtsprechung betont zudem immer wieder, dass der Gedanke des Gesundheitsschutzes ebenso von großer Bedeutung ist. Weiter ist es Sache des Arbeitgebers, die zeitliche Lage unter Berücksichtigung der Urlaubswünsche des Arbeitnehmers festzulegen gem. § 7 Abs. 1 BUrlG. Der Arbeitgeber trägt also die Initiativ- und Organisationslast dafür, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch auch tatsächlich verwirklichen kann. Grundsätzlich ist der Urlaub im laufenden Kalenderjahr zu gewähren und zu nehmen gem. § 7 Abs. 3 BUrlG. Eine Übertragung auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche Gründe oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden.
Die Regelung des § 7 Abs. 3 BUrlG, wonach gesetzliche Regelungen einen automatischen Verfall von Urlaubsansprüchen vorsehen, ist nach einer Vorabentscheidung des EuGH v. 6.11.2018 (a.a.O.) europarechtswidrig und nicht mit der Arbeitszeitrichtlinie vereinbar. Danach muss der Arbeitgeber zwar nicht von sich aus dem Arbeitnehmer den Urlaub gewähren, er hat jedoch die Mitwirkungspflicht, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, dass dieser seinen Urlaub in vollem Umfange auch tatsächlich nehmen kann.
Das BAG hat in seinem Urt. v. 19.2.2019 (a.a.O.) den § 7 Abs. 3 BUrlG richtlinienkonform ausgelegt mit der Begründung, dass der Urlaub in erster Linie dem Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers diene und daher der Urlaubsanspruch im laufenden Kalenderjahr zu realisieren ist. Ein Ansammeln über mehrere Jahre hinweg entspräche nicht dem Sinn und Zweck des Gesetzes, weder dem Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers noch dem wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers. Damit der Arbeitnehmer in vollem Umfange seinen Urlaubsanspruch wahrnehmen kann, obliegt dem Arbeitgeber eine Hinweispflicht.