Ausgangspunkt für die rechtliche Behandlung von Voraussetzungen, Folgen und prozessualem Verfahren einer sog. Verwertungskündigung ist die gesetzliche Normierung in § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB, die wie folgt lautet:
Zitat
„Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn [...]
3. der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.”
1. Allgemeine Grundsätze
a) Grundsätzliche Interessenlage der Mietparteien
Durch § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB soll den Belangen des Eigentümers an der freien wirtschaftlichen Verfügbarkeit Rechnung getragen werden, wobei die Interessen des Mieters am Erhalt der Mietwohnung gleichrangig zu berücksichtigen sind, weil das Eigentum an einem Wohnmietobjekt in besonderem Maße dem Gemeinwohl verpflichtet ist, vgl. Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG. Der Eigentümer hat aus Art. 14 GG also gerade nicht das Recht auf Gewährleistung eines maximalen Gewinns durch die Verwertung einer Wohnimmobilie (völlig zu Recht: Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, § 573 BGB Rn 152; Staudinger/Rolfs, Neubearbeitung 2021, § 573 BGB Rn 143 m.w.N.). Aus diesem Grund kann nicht jeder wirtschaftlicher Nachteil bereits ein Kündigungsrecht begründen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass finanzielle Einbußen des Vermieters in einem solchen erheblichen Umfang entstehen, welche die Nachteile weit übersteigen, die dem Mieter im Fall des Verlustes der Wohnung erwachsen (BVerfG, Urt. v. 14.2.1989 – 1 BvR 1131/87, WuM 1989, 118).
Praxistipp:
Hieraus ergibt sich ein gewichtiger Unterschied zur praxisrelevanten Eigenbedarfskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB: Bei der Eigenbedarfskündigung wird bei einer intendierten Eigennutzung des Eigentümers aufgrund von dessen Eigentumsstellung der Vorrang vor dem Behaltenwollen des Mietbesitzes des Mieters eingeräumt (BVerfG, Beschl. v. 3.10.1989 – 1 BvR 558/89, WuM 1989, 607). Bei der Verwertungskündigung kann aufgrund des zwingend zu würdigenden Gemeinwohles folgen, dass verständige Renditeinteressen des Eigentümers hinter den Nutzungsinteressen des Mieters zurücktreten müssen (Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, § 573 BGB Rn 152).
b) Vorliegen eines konkreten Vermieterinteresses
Ähnlich wie beim Eigenbedarf muss für die Verwertungskündigung ein konkretes Interesse des Vermieters bestehen, wofür es ausreichend ist, wenn im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung mit einiger Sicherheit festgestellt werden kann, dass die beabsichtigte Verwertung (z.B. Abriss und Neubau) nach der Beendigung des Mietverhältnisses unverzüglich verwirklicht werden will und kann (BayObLG, Rechtsentscheid in Mietsachen v. 31.8.1993 – WuM 1993, 660; Staudinger/Rolfs, Neubearbeitung 2021, § 573 BGB Rn 144). Das Recht zur Abgabe einer Verwertungskündigung hängt zudem unmittelbar mit der jeweiligen Vermieterstellung zusammen, sodass nur der Vermieter eine solche erklären kann, auf etwaige Verwertungsinteressen anderer Personen wie des Ehegatten, eine Tochter- oder Schwestergesellschaft der Vermieterin oder Interessen anderer Dritter kommt es nicht an (BGH, Urt. v. 27.9.2017 – VIII ZR 243/16, NZM 2017, 756).
c) Verhinderung einer angemessenen Verwertung
Ob die Verhinderung einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks für den Vermieter mit erheblichen Nachteilen verbunden ist, hängt von allen Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer allgemeinen, typisierenden Betrachtungsweise (BGH, Urt. v. 28.1.2009 – VIII ZR 8/08, NJW 2009, 1200). Der Vermieter trägt hierfür nach allgemeinen Grundsätzen (vgl. § 363 BGB) die Darlegungs- und Beweislast. Realisiert der Vermieter nach dem Auszug des Mieters die Verwertung nicht, trifft ihn die sekundäre Darlegungslast bzgl. etwaiger nachträglich entstandener, die Verwertung hindernder Umstände, wobei hieran strenge Anforderungen zu stellen sind (BGH, Urt. v. 29.3.2017 – VIII ZR 44/16, NJW 2017, 2819).
2. Verfassungsrechtliche Leitlinien für eine Verwertungskündigung
Aus der zur Verwertungskündigung ergangenen Rechtsprechung des BVerfG können sich folgende Leitlinien ableiten, die bei jeder Verwertungskündigung zu beachten sind: Die Möglichkeit der Verwertungskündigung hat nicht den Normzweck, dem Vermieter einen möglichst maximalen Gewinn zu verschaffen, sodass der Vermieter auch Verluste hinnehmen muss, welche sich aber in Grenzen halten müssen, wobei nicht erst die Existenzgefährdung herangezogen werden kann. Die sodann durchzuführende Interessenabwägung bei der Verwertungskündigung entzieht sich einer schematischen Typisierung und muss daher immer einzelfallbezogen erfolgen (Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, § 573 BGB Rn 152 a.E.).
Praxistipp:
Für die Parteien im Mietprozess ist hierbei zwingend zu berücksichtigen, dass die letztgenannte Interessenabwägung bei der Verwertungskünd...