Der kündigende Vermieter muss eine Absicht zur anderweitigen wirtschaftlichen Verwertung haben (1.), die intendierte Verwertung muss angemessen sein (2.), der Weiterbestand des Mietverhältnisses muss diese geplante Verwertung hindern (3.) und der Vermieter muss erhebliche Nachteile erleiden, wenn seine geplante Verwertung nicht ermöglicht wird (4.).
1. Absicht zur anderweitigen wirtschaftlichen Verwertung
a) Vorliegen einer ernsthaften Verwertungsabsicht
Die Verwertungsabsicht in § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB entspricht der Nutzungs-/Überlassungsabsicht in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB bei der Eigenbedarfskündigung, sodass eine ernsthafte Absicht vorliegen muss, die mit hinreichender Sicherheit feststehen und eindeutig sein muss. Es ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass bei Erklärung und Zugang der Verwertungskündigung noch keine Baugenehmigung/Abrissgenehmigung erteilt worden sein muss, eine hinreichende Verwertungsabsicht kann bereits durch Vorlage von Bauplänen, Bauvoranfragen oder dem Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung/Abrissgenehmigung belegt werden (BayObLG, Rechtsentscheid in Mietsache v. 31.8.1993 – RE-Miet 2/93, WuM 1993, 660; LG Berlin, Urt. v. 29.8.2011 – 67 S 15/09, ZMR 2012, 15; Staudinger/Rolfs, Neubearbeitung 2021, § 573 BGB Rn 144).
Etwas anderes gilt nach richtiger Auffassung bei der Zweckentfremdungsgenehmigung, die bereits bei Ausspruch der Kündigung vorliegen muss, anderenfalls ist die Kündigung materiell unwirksam, da die Zweckentfremdungsgenehmigung nämlich anders als die Baugenehmigung mieterschützenden Charakter hat (Ganz h.M.: Staudinger/Rolfs, Neubearbeitung 2021, § 573 BGB Rn 155 m.w.N.; Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, § 573 BGB Rn 153; LG Bonn, Urt. v. 17.10.2013 – 6 S 33/13, ZMR 2014, 284; AG Köln, Urt. v. 27.2.2018 – 201 C 202/17, ZMR 2018, 510; AG München, Urt. v. 18.4.2019 – 461 C 23150/18, unveröffentlicht; AG München, Urt. v. 18.11.2013 – 463 C 9569/13, ZMR 2014, 805; a.A. LG Mannheim, Urt. v. 16.1.2004 – 4 S 100/03, NZM 2004, 256; BeckOGK/Geib, Stand 1.7.2021, § 573 BGB Rn 114). Eine spätere Erteilung der Zweckentfremdungsgenehmigung kann die unwirksame Kündigung nicht rückwirkend heilen (Staudinger/Rolfs, Neubearbeitung 2021, § 573 BGB Rn 155 m.w.N.).
Merke:
Nach § 4 Abs. 1 Nr. 5 der Zweckentfremdungssatzung der Landeshauptstadt München (ZeS) liegt eine Zweckentfremdung immer auch dann vor, wenn Wohnraum durch Abbruch beseitigt wird, sodass auch immer dann eine Zweckentfremdungsgenehmigung bei Ausspruch und Zugang einer Verwertungskündigung erforderlich ist, wenn der Vermieter einen Abriss des Wohngebäudes unter nachfolgendem Neubau mit ggf. sogar vergrößertem Wohnraum beabsichtigt (völlig zu Recht AG München, Urt. v. 18.4.2019 – 461 C 23150/18, unveröffentlicht).
b) Maßgeblicher Zeitpunkt
Die jeweilige Verwertungsabsicht muss schon im Zeitpunkt von Ausspruch und Zugang der Kündigung bestehen und bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortbestehen, Vorratskündigungen sind nach den allgemeinen Grundsätzen unwirksam. Fällt eine Verwertungsabsicht nach Ausspruch und vor Ablauf der Kündigungsfrist weg, muss der Vermieter dem Mieter ein Angebot zum Abschluss eines Vertrags über die Aufhebung der Kündigungswirkung unterbreiten (BGH, Urt. v. 9.11.2005 – VIII ZR 339/04 zur Eigenbedarfskündigung, NJW 2006, 220; Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, § 573 BGB Rn 154, 74 ff.). Ein Wegfall der Verwertungsabsicht nach Ablauf der Kündigungsfrist hat keine Auswirkung auf die Wirksamkeit der Kündigung (BGH, a.a.O.; a.A. Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, § 573 BGB Rn 74 zur Eigenbedarfskündigung).
Praxistipp:
In der Praxis regelmäßig vorkommende und zulässige Verwertungsabsichten sind: Verkauf des Mietobjektes, der Abriss des Mietobjektes, um das Grundstück anderweitig zu nutzen, grundlegende Modernisierungs- und/oder Sanierungsmaßnahmen, die Zusammenlegung mehrerer Wohnungen zu einer Großwohnung und die Aufteilung einer großen Wohnung in mehrere, kleinere Wohnungen. Kraft Gesetzes sind lediglich die in § 573 Abs. 2 Nr. 3 Hs. 2-4 BGB aufgezählten Verwertungsabsichten („Erzielung einer höheren Miete und Veräußerung nach Begründung von Wohnungseigentum”) ausgeschlossen.
c) Keine Vorratskündigung
Es muss eine wirtschaftliche Verwertung beabsichtigt sein. Auch wenn der Gesetzeswortlaut von § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB anders als die Eigenbedarfskündigung nicht auf die vermieteten Räume, sondern auf das Grundstück als solches abstellt, ist anerkannt, dass eine ausreichende Verwertungsabsicht auch dann vorliegen kann, wenn sich die wirtschaftliche Verwertung nur auf einen Teil des Grundstückes beschränkt (LG Hannover, Urt. v. 11.3.2014 – 4 S 98/13, GE 2014, 590; Staudinger/Rolfs, Neubearbeitung 2021, § 573 BGB Rn 149). Plant der Vermieter allerdings nur den Abriss des Gebäudes, ohne bereits bei Ausspruch und Zugang der Kündigung eine konkrete Anschlussverwertung geplant zu haben, ist die Verwertungskündigung inhaltlich unwirksam. Eine solche Kündigung kann in diesem Fall nur ausnahmsweise nach der Generalklausel des § 573 Abs. 1 BGB wirksam sein (Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, § 573 BGB Rn 156).
2. Angemessenheit der intendierten Verwertung
a) Vorliegen vernünftiger Vermietererwägungen
Die wirtschaftliche Verwert...