Auf Vermieterseite liegt nicht selten das Interesse nach Ausspruch einer oder mehrerer Verwertungskündigungen darin, möglichst schnell ein leeres Mietobjekt zu erhalten, um dieses sodann abreißen und durch einen regelmäßig größeren Neubau ersetzen zu können. Der Neubau soll dann i.d.R. als Ganzes und gewinnbringend weiter veräußert werden oder die neu entstehenden Wohnungen nach Aufteilung in Wohnungseigentumseinheiten einzeln am Markt veräußert werden. In jedem Fall steht der Wunsch nach einer gewinnbringenden Weiterveräußerung im Vordergrund, der nur bei Beendigung bestehender Altmietverhältnisse zu realisieren ist.
Es ist dabei durchaus üblich und auch per se nicht verwerflich, dass auch finanzkräftige Investoren als Neueigentümer vermieteter Immobilien in die Vermieterstellung kraft Gesetzes (vgl. § 566 BGB) eintreten, die einen Wertzuwachs durch Modernisierungen mit nachfolgenden Modernisierungsmieterhöhung oder durch einen Weiterverkauf nach Grundsanierung oder einen gänzlichen Neubau realisieren wollen. Es liegt dabei in der Natur der Sache, dass diese Vermieterinteressen, die maßgeblich auf eine Beendigung bestehender Mietverhältnisse mit entsprechenden Räumungspflichten der Mieter einhergehen im diametralen Gegensatz zu den Mieterinteressen stehen, welche ein legitimes und elementares Interesse am Fortbestand der der – oft schon Jahrzehnte alten – Mietverhältnisse haben.
1. Erhebliche Dauer eines Rechtsstreits
Auf Vermieterseite ist bei der gerichtlichen Durchsetzung von Verwertungskündigung zu berücksichtigen, dass dem Faktor „Zeit” eine erhebliche Rolle zukommt. Der Mieter, der sich gegen eine Verwertungskündigung zur Wehr setzt, hat in jedem Fall die Möglichkeit, gegen die Kündigung des Vermieters den sog. Härtefallwiderspruch zu erheben und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist (vgl. den Wortlaut von § 574 Abs. 1 S. 1 BGB). Je nach den Umständen des Einzelfalls kann es daher durchaus dazu kommen, dass die Verwertungskündigung vom Gericht zwar als formell und materiell wirksam angesehen wird, das Mietverhältnis aber – z.B. weil es um eine hochbetagte Mieterin geht, die seit 45 Jahren im selben Mietobjekt wohnt – zu einer zeitlich unbefristeten oder zumindest befristeten Fortsetzung des Mietverhältnisses kommt (§ 574a Abs. 1 S. 1 BGB).
2. Klageerhebung ohne Zweckentfremdungsgenehmigung
Die Vermieterseite muss aber schon vor der Frage eines möglicherweise begründeten Sozialwiderspruchs der Mieterseite erhebliche Prozessrisiken bei der Verwertungskündigung einkalkulieren, welche insb. eine erhebliche Verzögerung des Räumungsrechtsstreits zur Folge haben. Häufig wird in der Praxis eine Verwertungskündigung und eine nachfolgende Räumungsklage schon zu einem Zeitpunkt ausgesprochen bzw. erhoben, zu dem noch keine Zweckentfremdungsgenehmigung erteilt wurde, die immer dann erforderlich ist, wenn eine Zweckentfremdungssatzung in der betreffenden Gemeinde erlassen wurde und bestehender Wohnraum verkleinert oder beseitigt wird. Bei einem geplanten Abriss eines alten und sanierungsbedürftigen Gebäudes liegt daher regelmäßig ein Anwendungsfall der Zweckentfremdungssatzung vor, sodass zuvor eine Zweckentfremdungssatzung erteilt worden sein muss. Dieser Verwaltungsvorgang kann eine erhebliche Zeit beanspruchen, in welcher der Vermieter, der nicht selten erhebliche Teile des Kaufpreises der gekauften Immobilie drittfinanziert hat, erhebliche Finanzierungskosten zu tragen hat.
3. Keine wirtschaftliche Sanierung möglich
Schließlich trägt die Vermieterpartei in Verwertungskonstellationen, in denen ein Abriss mit Neubau geplant ist, die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass nicht eine Sanierung des Mietobjekts unter Beibehaltung der bestehenden Mietverträge technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar durchgeführt werden kann. Die anwaltlich vertretene Mieterpartei wird in einem solchen Räumungsprozess bestreiten, dass die vorgetragenen Wirtschaftlichkeitsberechnungen zu einer angeblich nicht wirtschaftlich vorzunehmenden Sanierung im Vergleich zu einem Abriss mit Neubau zutreffend ist, sodass dem Gericht in aller Regel nur die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens verbleibt, was ebenfalls mit einer erheblichen Verzögerung des Räumungsrechtsstreits verbunden ist.
Merke:
Vor diesem wirtschaftlichen Hintergrund ist die gerichtliche Praxis zu sehen, aus der sich zum Teil Abschlagszahlungen der Vermieterpartei an die Mieterpartei von mehreren 10.000 EUR ergeben, um einen möglichst frühen und rechtssicheren Auszug der Mieterpartei sicherzustellen. Der Vermieter erkauft sich in dieser Lage einen früheren und nicht mehr gerichtlich angreifbaren Auszugstermin des Mieters im Wege eines Räumungsvergleichs mit Abschlagszahlung, welchen er bei Durchführung des gerichtlichen Verfahrens mit den zur Verfügung stehenden Berufungs- und Revisionsinstanzen keinesfalls erzielen könnte. Nicht selten wir...