Streitgegenständlich ist, ob dem Kläger, der sich als schwerbehinderter Mensch erfolglos auf eine von der Beklagten ausgeschriebenen Stelle beworben hatte, ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zusteht. Mit solchen Entschädigungsansprüchen hat sich das BAG bereits in der Vergangenheit mehrfach befasst (vgl. hierzu, auch zur Höhe des Anspruchs und seiner verfahrensrechtlichen Durchsetzung, die Verf. ZAP F. 17 R, 1011 ff. und 1031 ff.).
Der Kläger, der ein Studium der Wirtschaftswissenschaften absolviert hat, bewarb sich mit Schreiben v. 14.8.2019 unter Hinweis auf seine Schwerbehinderung auf die von der Beklagten im Internet ausgeschriebene Stelle als „Scrum Master Energy (m/w/d)”. Nachdem die Beklagte dem Kläger durch E-Mail v. 22.8.2019 abgesagt hatte, machte dieser durch Schreiben v. 19.10.2019 gegenüber der Beklagten einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG geltend, den die Beklagte mit Schreiben v. 18.11.2019 mit der Begründung zurückwies, den Kläger nicht berücksichtigt zu haben, weil er die Anforderungen der Stellenausschreibung nicht erfülle. Auf die durch Schreiben des Klägers v. 27.11.2019 geäußerte Bitte, ihm nachzuweisen, dass die Beklagte im Hinblick auf ihre Auswahlkriterien sämtliche Bewerber gleichbehandelt haben, reagierte die Beklagte nicht. Mit der am 10.1.2020 beim ArbG eingegangenen Klage hat der Kläger einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG erhoben, deren Höhe er in das Ermessen des Gerichts stellte – mit dem Hinweis, angemessen sei ein Betrag i.H.v. 10.000 EUR (zwei auf der ausgeschriebenen Stelle zu erwartende Bruttomonatsvergütungen) – mit der Begründung, die Beklagte habe gegen ihre Verpflichtung aus § 164 Abs. 1 S. 4 SGB IX verstoßen, da sie den bei ihr eingerichteten Betriebsrat nicht über seine Bewerbung unmittelbar nach deren Eingang unterrichtet habe. Die Beklagte beantragte Klageabweisung, sie wies v.a. darauf hin, der Kläger habe nur unbeachtliche Behauptungen „ins Blaue hinein” aufgestellt, die sie nicht erwidern müsse und dies auch nicht tue. Die Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos, auf die Revision des Klägers hin sprach das BAG eine Entschädigung i.H.v. 7.500 EUR zu (Urt. v. 14.6.2023 – 8 AZR 136/22 NZA 2023, 1248).
Der Anspruch des Klägers auf Entschädigung ist in zugesprochener Höhe begründet nach § 15 Abs. 2 AGG wegen eines Verstoßes gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot – wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, wozu u.a. eine Behinderung gehört –, das sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen (§ 3 Abs. 1 und 2 AGG) verbietet. Das Verbot erfasst nicht jede Ungleichbehandlung, sondern nur eine solche wegen eines in § 1 AGG genannten Grunds. Bei der hier vorliegenden unmittelbaren Benachteiligung ist der rechtlich erforderliche Kausalzusammenhang zwischen dieser und der Schwerbehinderung bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an die Schwerbehinderung anknüpft oder durch diese motiviert ist, wobei die bloße Mitursächlichkeit genügt (st. Rspr., etwa BAG, Urt. v. 19.1.2023 – 8 AZR 437/21, Rn 30, NZA 2023, 688).
§ 22 AGG sieht für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grunds vermuten lässt, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat (BAG a.a.O., Rn 32).
Das BAG folgt nicht der Annahme des Berufungsgerichts, die Behauptung des primär nach § 22 AGG für das Indiz darlegungspflichtige Kläger, die Beklagte habe den bei ihr eingerichteten Betriebsrat den Vorgaben des § 164 Abs. 1 S. 4 SGB IX zuwider über seine Bewerbung nicht nach deren Eingang unterrichtet, sei als Behauptung „ins Blaue hinein” unbeachtlich. In der Rechtsprechung des BAG ist anerkannt, dass eine Partei Tatsachen behaupten kann, über die sie mangels entsprechender Erkenntnisquellen oder Sachkunde kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Dinge für wahrscheinlich oder jedenfalls für möglich hält, d.h. die sie nur vermutet. Die Grenze zum unzulässigen und damit unbeachtlichen Sachvortrag ist grundsätzlich erst erreicht, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich die Behauptungen „aufs Geratewohl” oder „ins Blaue hinein” aufstellt. Allerdings ist bei Annahme von Willkür in diesem Sinne Zurückhaltung geboten. In der Regel wird sie nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte vorliegen (s. etwa BAG, Urt. v. 27.3.2019 – 10 AZR 318/17, Rn 19, NZA 2019, 15118; dies entspricht ebenso der Auffassung des BGH, s. Hk-ZPO/Wöstmann, § 138 Rn 2 m.w.N.).
Das BAG hält somit den Kläger für berechtigt, seine Behauptung, die Beklagte habe den Betriebsrat nicht entsprechend § 164 Ab...