Die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung der Revisionsschrift und der Revisionsbegründungsschrift (§ 32d S. 2 StPO) gilt auch in dem Fall, in dem der übermittelnde Rechtsanwalt selbst Angeklagter des Strafverfahrens ist. Das haben jetzt das OLG Hamm (Beschl. v. 20.7.2023 – 4 ORs 62/23, VRR 9/2023, 17 für die Revisionsbegründung) und das BayObLG (Beschl. v. 14.7.2023 – 201 ObOWi 707/23 für die Rechtsbeschwerdebegründung) entschieden.
In dem vom OLG Hamm (a.a.O.) entschiedenen Fall hatte das AG den Angeklagten, der von Beruf Rechtsanwalt ist und sich selbst verteidigt hat, am 9.3.2023 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG) zu einer Geldstrafe verurteilt. Gegen dieses in Anwesenheit des Angeklagten verkündete und dem Angeklagten am 25.3.2023 zugestellte Urteil hat der Angeklagte mit am 15.3.2023 bei dem AG eingegangenem Fax-Schreiben vom 15.3.2023 Rechtsmittel eingelegt und dieses mit weiterem, am 25.4.2023 eingegangenem, Schreiben als Revision bezeichnet und mit der Verletzung materiellen Rechts begründet. Das OLG hat die Revision als unzulässig verworfen.
Nach Auffassung des OLG Hamm (a.a.O.) war die Revision bereits nicht wirksam eingelegt (BGH, Beschl. v. 8.9.2022 – 3 StR 251/22, StraFo 2023, 16). Nach den seit dem 1.1.2022 geltenden § 32d S. 2 StPO müssen Verteidiger und Rechtsanwälte u.a. die Revision und ihre Begründung als elektronisches Dokument übermitteln. Insoweit handele es sich um eine Form- und Wirksamkeitsvoraussetzung der jeweiligen Prozesshandlung. Ihre Nichteinhaltung bewirke die Unwirksamkeit der Erklärung (vgl. BGH, Beschl. v. 24.5.2022 – 2 StR 110/22, NStZ-RR 2022, 253 [Ls.]; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl. 2023, § 32d Rn 2 m.w.N.).
Diesen Anforderungen genügten die Revisionseinlegung und die Revisionsbegründung nach Auffassung des OLG nicht. Denn der Angeklagte habe seine Revision lediglich per Fax übermittelt bzw. im Briefkasten des AG hinterlegt. Anhaltspunkte dafür, dass eine elektronische Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich gewesen sei (§ 32d S. 3 StPO), seien nicht dargetan. Die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung der Revisionsschrift und Revisionsbegründungsschrift gelte – so das OLG – auch in dem – hier vorliegenden – Fall, in dem der übermittelnde Rechtsanwalt selbst Angeklagter des Strafverfahrens ist. Der Begriff „Rechtsanwälte” in § 32d StPO sei insoweit statusrechtlich zu verstehen und erfasse Personen, die als Rechtsanwalt zugelassen sind und für die als solche durch die Bundesrechtsanwaltskammer ein beA eingerichtet worden sei (§ 31a Abs. 1 BRAO). Die Verpflichtung zur elektronischen Einreichung schließe nicht die Möglichkeit des Rechtsanwalts aus, die in Rede stehenden Erklärungen mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle abzugeben (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 32d Rn 1 m.w.N.). Von dieser Möglichkeit habe der Angeklagte keinen Gebrauch gemacht.
Hinweis:
Das OLG Hamm (a.a.O.) schließt sich, ohne das allerdings ausdrücklich auszuführen, der h.M. in der obergerichtlichen Rechtsprechung zu der Frage an (ebenso das BayObLG, a.a.O., und OLG Brandenburg, Beschl. v. 13.6.2022 – 1 OLG 53 Ss-OWi 149/22 für die Rechtsbeschwerde und ihre Begründung). In der Rechtsprechung des BGH ist darüber hinaus mittlerweile geklärt, dass für Rechtsanwälte die Pflicht zur elektronischen Übermittlung gem. § 14b Abs. 1 S. 1 FamFG, der in etwa § 32d StPO entspricht, auch dann besteht, wenn sie als anwaltlicher Berufsbetreuer berufsmäßig im eigenen Namen auftreten (vgl. BGH Beschl. v. 31.1.2023 – XIII ZB 90/22, FamRZ 2023, 719 [Verfahrenspfleger]; s. noch BGH, Beschl. v. 31.5.2023 – XII ZB 428/22; vgl. zu § 130d ZPO BGH, Beschl. v. 24.11.2022 – IX ZB 11/22, WM 2023, 89 [Insolvenzverwalter]). Dem hat sich das OLG Hamm ohne Einschränkung angeschlossen. Als sich selbst verteidigender Rechtsanwalt muss/sollte man das „auf dem Schirm” haben.