Die Entscheidung des OLG Hamm verdient eine über Nordrhein Westfalen hinausgehende Beachtung. Mit Wirkung vom 1.1.2014 wurde die Eigenbeteiligung der PKH-Partei spürbar angehoben. Hintergrund ist eine Entlastung der Länderhaushalte. § 115 ZPO ist nicht zuletzt wegen der zahlreichen Verweisungen und Weiterverweisungen immer wieder als zu kompliziert und kaum noch verständlich bezeichnet worden.
Schonvermögen – Prüfungsreihenfolge
Neben der hinreichenden Erfolgsaussicht von Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung und fehlender Mutwilligkeit sind im Verfahren zur Bewilligung von PKH immer auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers zu prüfen, § 114 ZPO. Zunächst werden die Einkommensverhältnisse geprüft. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert, § 115 Abs. 1 S. 2 ZPO. Die Abzugsmöglichkeiten sind in § 115 Abs. 1 S. 3 ff. ZPO ausführlich geregelt.
Nach § 115 Abs. 3 ZPO hat die Partei Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist, § 90 SGB XII gilt entsprechend. Die Vorgängerregelung verwies noch auf § 88 BSHG. Vermögen sind in Abgrenzung zu den Einkünften (§ 115 Abs. 1 S. 2 ZPO) alle vorhandenen geldwerten Sachen und Rechte, soweit sie realisierbar sind (vgl. Rathmann/Pukall in Saenger, Handkommentar zur ZPO, § 115 Rn. 30). Was als Vermögen zu berücksichtigen ist, ist in § 90 SGB XII geregelt. Danach sind drei Schritte zu unterscheiden:
- In einem ersten Schritt (§ 90 Abs. 1 SGB XII) ist zu klären, was zum verwertbaren Vermögen gehört.
- In einem zweiten Schritt ist die Grenze des einzusetzenden Vermögens zu ermitteln, und zwar an Hand der Regelungen über das Schonvermögen in § 90 Abs. 2 SGB XII in Verbindung mit der Durchführungsverordnung zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII.
- In einem dritten Schritt ist zu prüfen, ob dieses die Vermögensgrenze übersteigende Vermögen voll eingesetzt werden muss oder ob aufgrund der Härteregelung in § 90 Abs. 3 SGB XII von einem vollen Einsatz abgesehen werden kann (vgl. DVBS spezial 3: Schriftenreihe zum Blindenrecht, Heft 08, 8.2.3.6.2.).
Verwertbares Vermögen
Eigenheime und Eigentumswohnungen gehören grundsätzlich zum verwertbaren Vermögen des Leistungsberechtigten. Selbstbewohnte Hausgrundstücke können dagegen nach § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII zum Schonvermögen zählen. Ein (Wohn-)Hausgrundstück ist nur privilegiert, wenn es der Leistungsberechtigte oder andere Personen der Bedarfsgemeinschaft (nicht getrennt lebender Ehegatte oder Lebenspartner, minderjährige unverheiratete Kinder) allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnen und nach dem Tod des Leistungsberechtigten weiter bewohnen sollen. Damit schließt der Gesetzgeber die weiter bewohnte Familienwohnung als zentrales Element menschenwürdigen Daseins von der Verwertung aus (vgl. BSG, Urt. v. 4.9.1979 – 7 RAr 115/78, SozR 4220 § 6 Rn. 3 = BSGE 49, 30). Angehörige sind Personen im engen verwandtschaftlichen oder schwägerschaftlichen Verhältnis (Haufe, Onlinekommentar, § 90 SGB XII Rn. 36). In diesem Zusammenhang kommt es sehr stark auf den im Einzelfall individuell geltend gemachten Wohnraumbedarf, aber auch noch auf andere Faktoren an. Unter den Begriff des "Hausgrundstücks" sind auch Eigentumswohnungen zu fassen. Zweifamilienhäuser sind geschützt, wenn der Teil, den der Hilfesuchende bewohnt, angemessen ist.
Hinweis:
Nicht erfasst werden Zweitwohnungen, Ferienhäuser und Mehrfamilienhäuser.
Grenzen des einzusetzenden Vermögens
Die Angemessenheit bestimmt sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf (z.B. behinderter, blinder oder pflegebedürftiger Menschen), der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes. Diese sieben Kriterien sind im Rahmen einer Gesamtbetrachtung unter- und gegeneinander abzuwägen (vgl. DVBS a.a.O.).
Mit der Entscheidung des OLG Hamm sind die früher veranschlagten Wohnflächengrößen deutlich reduziert worden (s.o.). Maßgeblich ist nunmehr das jeweilige Landesrecht, vgl. § 10 Abs. 1 WoFG und die entsprechenden landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen. Nach Außerkrafttreten des 2. WoBauG zum 1.1.2002 war zunächst offen, wonach die Angemessenheit der Wohnfläche bzw. Grundstücksgröße zu bestimmen war. Die das 2. WoBauG ablösende Regelung des WoFG gibt den Ländern über Ausführungsbestimmungen einen eigenen Regelungsspielraum, was zu einer erheblichen Spannbreite länderspezifischer Wohnflächenobergrenzen geführt hat (vgl. Brühl/Geiger in Münder, Kommentar zum SGB XII, § 90 Rn. 46). Teilweise wurden weiter die Werte des 2. WoBauG herangezogen, vor allem im Hinblick auf bundeseinheitliche Leistungen. Die Entscheidung des OLG Hamm verschafft insoweit Klarheit.
Die Wohnflächengrenzen können bei zusätzlichem Wohnbedarf überschritten werden. Hierzu zählen vor allem besondere persönliche Bedürfnisse (z.B. infolge einer Behinderung) oder berufliche Erfordernisse. Wird eine Person im Haushalt gepflegt, so erhöhen sich die Wohnflächengrenzen um 20 %. Rollstuhlfahr...