Grundsatz: Der Prüfungsmaßstab einer personenbedingten Kündigung wegen Alkoholerkrankung weicht inhaltlich erheblich von einer sonstigen krankheitsbedingten Kündigung ab. Der 2. Senat hat (Urt. v. 20.3.2014 – 2 AZR 565/12, NZA 2014, 602) entschieden, dass weder die Anzahl der Fehltage eine negative Prognose tragen muss, noch dass es für die betrieblichen Beeinträchtigungen auf die Anzahl der objektiv alkoholbedingten Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben ankommt. Ausreichend ist:
- Eine bestehende Alkoholerkrankung und die dadurch verursachten erheblichen
- betrieblichen Beeinträchtigungen, die auch darin liegen können, dass der Arbeitnehmer zur Einhaltung der einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften, nicht mehr in der Lage ist, weil damit eine erhebliche Gefährdung anderer Arbeitnehmer oder Dritter verbunden ist. Zuletzt ist
- eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen, vor allem die Möglichkeit anderweitiger Beschäftigung zu prüfen.
Der Kläger war seit 1999 bei der Beklagten als Hofarbeiter tätig. Die Beklagte führte ein striktes Alkoholverbot ein und die Tätigkeit umfasste das Befahren öffentlichen Straßenraumes, auf dem Betriebshof galt die StVO, Mitarbeiter bedurften einer gültigen Fahrerlaubnis (ehemalige Führerscheinklasse "drei"). Der Kläger wurde hierüber schriftlich unterrichtet. Der Kläger wurde wegen starker Alkoholisierung am Arbeitsplatz nach Hause geschickt und gekündigt. Im Kündigungsschutzprozess berief er sich auf seine Alkoholkrankheit. Die Beklagte nahm die Kündigungen zurück und mahnte den Kläger wegen Verstoßes gegen das betriebliche Alkoholverbot ab. In der Folge brach der Kläger eine Entziehungskur ab, wurde mehrfach alkoholisiert am Arbeitsplatz angetroffen und verursachte einen Verkehrsunfall mit einem Firmenfahrzeug. Bei einer Routinekontrolle verfügte der Kläger nur über eine in Tschechien ausgestellte Fahrerlaubnis, welche in Deutschland keine Gültigkeit hatte. Hierauf kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich.
LAG und BAG haben die Klage abgewiesen. Die ordentliche Kündigung ist aufgrund der Alkoholerkrankung des Klägers durch Gründe in seiner Person bedingt und deshalb i.S.v. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG sozial gerechtfertigt.
a) Erste Stufe: negative Prognose
Die negative Prognose der weiteren Entwicklung einer Alkoholerkrankung kann sich auf zwei Gesichtspunkte stützen: Erstens, die fehlende Bereitschaft des Arbeitnehmers zum Zeitpunkt der Kündigung, eine Entziehungskur bzw. Therapie durchzuführen, weil dann erfahrungsgemäß davon ausgegangen werden kann, dass er von seiner Alkoholabhängigkeit in absehbarer Zeit nicht geheilt wird. Zweitens, ein Rückfall des Arbeitnehmers nach abgeschlossener Therapie.
Im Streitfall war im Zeitpunkt der Kündigung aufgrund der bindenden Feststellungen des LAG die Annahme gerechtfertigt, der Kläger biete aufgrund von Alkoholsucht nicht mehr die Gewähr, seine Tätigkeit als Hofarbeiter dauerhaft ordnungsgemäß erbringen zu können. Der Kläger hat im Rahmen der ihn nach § 138 Abs. 2 ZPO treffenden abgestuften Darlegungslast keine Umstände aufgezeigt, die geeignet gewesen wären, die Indizwirkung seiner alkoholbedingten Ausfälle zu entkräften. Er hat nicht behauptet, vor dem Ausspruch der Kündigung eine neue Alkoholtherapie begonnen zu haben, auch lagen drei Fälle von Alkoholisierung über 0,5 ‰ vor. Der Einwand, es sei jeweils "Restalkohol" des Vorabends gewesen spricht für eine erhebliche Alkoholaufnahme und gegen die "Beherrschung" der Alkoholerkrankung.
b) Zweite Stufe: Erhebliche betriebliche Beeinträchtigung
Die Alkoholerkrankung und die damit verbundene mangelnde Einsatzfähigkeit des Klägers führen auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen. Der Kläger selbst und seine Kollegen waren einer nicht unerheblichen Gefahr ausgesetzt. Die Unzumutbarkeit der Beschäftigung auf dem bisherigen Arbeitsplatz folgt bereits aus § 7 Abs. 2 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV A1 i.d.F. vom 1.1.2004). Weder ist die Frage, ob der Alkoholgenuss des Klägers zu betrieblichen Unfällen beigetragen hat erheblich. Noch ist von Belang, ob und ggf. wie oft dieser in der Vergangenheit objektiv durch seine Alkoholisierung am Arbeitsplatz gesetzliche Vorgaben verletzt hat oder ggf. unerkannt arbeitsunfähig war. Entscheidend ist, dass die Beklagte aufgrund der im Kündigungszeitpunkt fortbestehenden Alkoholerkrankung jederzeit mit einer Beeinträchtigung der Fahr- und Arbeitssicherheit durch den Kläger rechnen musste.
c) Dritte Stufe: Unzumutbarkeit
Der weitere Einsatz des Klägers als Hofarbeiter war ihr damit nicht zumutbar. Eine Umsetzung schied wegen der Gefährdung anderer aus. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement i.S.v. § 84 Abs. 2 SGB IX (bEM) erschien ohne Aussicht auf Erfolg, weshalb das Versäumnis nicht entscheidungserheblich ist.