Bekanntlich hat die Rechtsprechung des BGH zur Anerkennung eines "ewigen" Widerrufs selbst bei nur geringfügiger Fehlerhaftigkeit von Widerrufsbelehrungen in Verbraucherdarlehensverträgen zur Finanzierung von Immobilien der Jahre 2002 bis 2010 (vgl. grundlegend BGH, Urt. v. 28.6.2011 – XI ZR 349/10 sowie zu den Rechtsfolgen BGH, Beschl. v. 22.9.2015 – XI ZR 116/15, ZAP EN-Nr. 861/2015) bundesweit eine wahre Widerrufswelle u.a. von Kunden ausgelöst, die mit Hilfe des nunmehr ihnen zur Verfügung stehenden "Widerrufs-Jokers" (so erstmals wohl Kropf WM 2013, 2250) vom aktuell niedrigen Zinsniveau profitieren wollen und eine kostenlose Umschuldung ihrer noch laufenden Kreditverträge anstreben oder die Rückzahlung ihrer bereits bei Vertragsauflösung geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung verlangen.
Da die mit dem Widerruf konfrontierten betroffenen Banken und Sparkassen darin mehrheitlich aber nur eine bloße Vertragsreue des Kunden sahen und diese für rechtsmissbräuchlich, den Widerruf in jedem Fall aber für verwirkt hielten, schlossen sich daraufhin zwar zahlreiche Prozessverfahren an, in deren Verlauf auch einige Instanzgerichte – zumindest beim Widerruf nach Rückführung des Darlehens bzw. bei spekulativen und risikobehafteten (Fonds-)Anlagen – bzgl. Treuwidrigkeit und Verwirkung der Bankensicht folgen wollten (vgl. dazu nur OLG Hamburg, Urt. v. 26.2.2014 – 13 U 71/13 sowie Urt. v. 2.4.2015 – 13 U 87/14). Eine endgültige Klärung durch den BGH in den dort anhängigen Verfahren (Az. XI ZR 181/15 und XI ZR 154/14) blieb wegen den jeweils kurz vor den Verhandlungsterminen erfolgten Revisionsrücknahmen mit der Folge aus, dass sich für Bankkunden der Ausgang ihres Streitfalls nur schwer prognostizieren lässt und deshalb bei ihnen der Eindruck entstehen könnte, dass in diesem "Widerrufs-Roulette" – wie im Casino auch – am Ende doch immer die Bank gewinnt und sie als (Bank-)Kunden in der Verlierergruppe spielen.
Dass sich diese negative Erkenntnis aber tatsächlich bestätigen könnte, dafür sorgt jetzt ausgerechnet der Gesetzgeber, der mit seinen "folgenschweren Fehleinschätzungen und sträflichen Untätigkeit" (so wörtlich Lechner WM 2015, 2165, 2173) erst die Grundlagen zu diesem rechtlichen Fiasko gesetzt hat und auch weiterhin nicht nur unbeirrt an seinen Kompensationsbausteinen von Muster- und Nachbelehrung festhalten will, sondern nunmehr auch eine absolute Ausschlussfrist für die Ausübung des (ewigen) Widerrufsrecht von Verbraucherdarlehensverträgen für 2016 plant.
Im Zuge der Umsetzung der Wohnimmobilienkredit-RL 2014/17/EU hat er dazu in § 356b Abs. 2 S. 4 BGB-E vorgesehen, dass die Widerrufsfrist auch bei unterbliebener oder fehlerhafter Belehrung spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss enden soll (vgl. BT-Drucks 18/5922 v. 7.9.2015, S. 6). Das sollte nach Art. 229 EGBGB-E zunächst aber nur für die nach Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes zum 21.3.2016 abgeschlossenen Darlehensverträge gelten, so dass es für die Altfälle bei der bisher maßgeblichen Rechtslage bliebe und ein Widerrufsrecht nicht erlöschen würde.
Genau dieses Erlöschen hat dann aber der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 25.9.2015 empfohlen und vorgeschlagen, auch auf Altfälle die Befristung von zwölf Monaten und 14 Tagen ab dem 21.3.2016 anzuwenden (BR-Drucks 359/15-B, S. 2), was die Bundesregierung nicht nur dankbar in ihrer Gegenäußerung vom 8.10.2015 aufnahm, sondern im Anschluss sogar noch mit einer zusätzlichen Verschärfung umsetzen will (BT-Drucks 18/6286, S. 34 f.), die nach Vorschlägen aus den beteiligten Ministerien zu einem Erlöschen des Widerrufsrechts bereits zum 21.6.2016, also nur drei Monate nach In-Kraft-Treten des Umsetzungsgesetzes zum 21.3.2016, führen könnte.
Ob es tatsächlich zu einer solchen "Generalbereinigung" des "ewigen" Widerrufsrecht kommt, bleibt abzuwarten. Zweifelsohne bewegt sich der Gesetzgeber mit einer Erlöschensregelung auch für Altverträge auf schwankendem rechtlichen Grund (vgl. nur die Stellungnahme des DAV Nr. 56/2015 im Oktober 2015), doch lässt sich ein erneuter Fehlgriff des Gesetzgebers, wie schon zuvor bei dem Musterbelehrungen nach § 14 BGB-Info (jetzt § 360 Abs. 3 BGB bzw. Art. 247 EGBGB), auch hier nicht mehr ausschließen, so dass der Gang des Gesetzgebungsverfahrens genau beobachtet werden sollte, um rechtzeitig die (noch) verfügbaren Handlungsoptionen gegenüber der Bank durchspielen und den richtigen "Einsatz" wählen zu können – also getreu den Worten des Croupiers: Faites vos jeux!
Autor: Rechtsanwalt Mark T. Singer, Neuss
ZAP 3/2016, S. 101 – 102