Durch das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29.7.2009 (BGBl I, S. 2353), in Kraft getreten am 4.8.2009, hat der Gesetzgeber erstmals Regelungen zu Verständigungen im Strafverfahren kodifiziert, denen bis dahin ausschließlich das Richterrecht des BGH zugrunde lag. In § 257c StPO werden Gegenstand und Ablauf der Verständigung geregelt, während Vorschriften wie §§ 202a, 212, 243 Abs. 4 und 273 Abs. 1a StPO flankierende Normen zu Mitteilungs-, Dokumentations- und Protokollierungspflichten (Transparenzgebot) enthalten. In seinem Grundsatzurteil vom 19.3.2013 (NJW 2013, 1058 = StRR 2013, 179 [Deutscher]; Anm. u.a. Niemöller StV 2013, 420; Weigend StV 2013, 424; Bespr. Kudlich NStZ 2013, 379; Meyer NJW 2013, 1850; Bittmann NJW 2013, 3017) hat das BVerfG das VerständigungsG zwar für verfassungsgemäß erachtet, allerdings Vollzugsdefizite in der Praxis konstatiert und außerhalb der Regelung des VerständigungsG liegende informelle Absprachen für unzulässig erklärt. Das Schuldprinzip und das Rechtstaatsprinzip sowie die Pflicht zur Wahrheitserforschung schlössen es aus, die Durchführung des Strafverfahrens zur freien Disposition der Verfahrensbeteiligten und des Gerichts zu stellen. Verständigungen seien nur in dem engen gesetzlichen Rahmen verfassungsrechtlich zulässig. Um dessen Einhaltung zu sichern, käme den Vorschriften zum Transparenzgebot gesteigerte Bedeutung zu (BVerfG NJW 2013, 1058 Rn 80 ff.). Es müsse gewährleistet sein, dass Verständigungen oder darauf gerichtete Gespräche in der öffentlichen Hauptverhandlung offengelegt und damit eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit und die Rechtsmittelgerichte ermöglicht werde. Auf diese Weise sollen gesetzeswidrige informelle Absprache unterbunden werden. Zugleich werde der Angeklagte in seiner Aussagefreiheit vor Absprachen ohne seine Kenntnis geschützt.

Mit diesem Urteil hat das BVerfG der tatrichterlichen Praxis der Strafgerichte und den Revisionsgerichten rigide Vorgaben zur Behandlung von Verständigungen gemacht. Dem in der Folgezeit gemachten Versuch einiger Senate des BGH, diese engen Vorgaben insbesondere im Rahmen der Beruhensprüfung nach § 337 StPO sowie des Negativattests aufzuweichen, ist das BVerfG mit teils deutlichen Worten entgegengetreten durch die Kammerbeschlüsse vom 26.8.2014 (NJW 2014, 3504; NStZ 2014, 592 m. Anm. Hunsmann u. Bespr. Deutscher StRR 2014, 411) und 15.1.2015 (NJW 2015, 1235 = NStZ 2015, 170; NStZ 2015, 172 m. Anm. Knauer/Pretsch, Bespr. Deutscher StRR 2015, 88). Gleichwohl wird seitens des BGH auch seitdem noch gelegentlich versucht, Lücken in den strengen Maßgaben des BVerfG zu finden (zur konventionsrechtlichen Beurteilung von Verständigungen EGMR NJW 2015, 1745 Ls.).

 

Hinweise:

Diese Rechtsprechungsübersicht schließt an die Übersichten von Krawczyk/Schüler StRR 2014, 284 (zur materiellen Seite) und Deutscher StRR 2014, 288 (zum Transparenzgebot) an. Eine eingehende Darstellung der Rechtsprechung bis Frühjahr 2014 gibt Schneider NStZ 2014, 192, 252. Eine positive Entwicklung seit der Grundsatzentscheidung des BVerfG sieht der berichterstattende Verfassungsrichter Landau NStZ 2014, 425; krit. Bittmann NStZ 2015, 545.

Diese Rechtsprechungsübersicht kann und will keine Gesamtdarstellung zum Thema Verständigung ersetzen. Insofern wird verwiesen auf die beiden Werke von Burhoff, Ermittlungsverfahren, 7. Aufl. 2015, Rn 72 und Hauptverhandlung, 8. Aufl. 2015, Rn 137 sowie auf Kunze ZAP F. 22, S. 745.

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