Der – einheitliche – Unterhaltsanspruch des § 1570 BGB ist in drei Stufen aufgebaut und unterscheidet jetzt zwischen kindbezogenen Gründen für den Unterhalt und elternbezogenen und damit ehebezogenen Gründen:
a) Basisunterhalt (§ 1570 Abs. 1 S. 1 BGB)
Der Unterhaltsanspruch gem. § 1570 Abs. 1 S. 1 BGB stützt sich allein auf die Betreuung des Kindes (kindbezogene Gründe). Es wird ein verbindlicher Basisunterhalt gewährt, der auf die ersten drei Lebensjahre des Kindes beschränkt ist. Eine Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils besteht hier selbst bei vorhandener Fremdbetreuungsmöglichkeit generell nicht.
b) Kindbezogener Billigkeitsergänzungsunterhalt (§ 1570 Abs. 1, S. 2, 3 BGB)
Der Unterhaltsanspruch verlängert sich gem. § 1570 Abs. 1 S. 2, 3 BGB, wenn dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen. Das früher in der Praxis verbreitete Altersphasenmodell gilt nicht mehr.
Hinweis:
Es kommt nicht darauf an, ob das Kind tatsächlich bereits außerhäuslich betreut wird, sondern nur, ob
- eine solche Möglichkeit objektiv besteht und
- diese den Belangen des Kindes entspricht (Kindeswohl i.S.d. § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB).
Maßgeblich ist die konkrete Betreuungssituation vor Ort. Die Möglichkeit der Fremdbetreuung muss tatsächlich existieren, zumutbar und verlässlich sein und mit dem Kindeswohl im Einklang stehen (BGH FamRZ 2012, 1040; FamRZ 2011, 791; OLG Düsseldorf FamRZ 2016, 63). Die Betreuung in öffentlichen Betreuungseinrichtungen wie Kindergärten, Kindertagesstätten oder Kinderhorten ist mit dem Kindeswohl vereinbar. Vorhandene Betreuungsmöglichkeiten sind auch zeitlich in vollem Umfang zu nutzen. Während dieser Zeit besteht eine entsprechende Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils.
Grundsätzlich ist auch der andere Elternteil als Betreuungsperson in Betracht zu ziehen, wenn er dies ernsthaft und verlässlich anbietet (BGH NJW 2012, 1868 = FamRZ 2012, 1040; FamRZ 2011, 1209 m. Anm. Viefhues; NJW 2010, 3369 m. Anm. Born).
Ein Problem des Kindes muss sich, um unterhaltsrechtliche Bedeutung zu erlangen, ganz konkret auf die Möglichkeiten des betreuenden Elternteils auswirken, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen (ausführlich Viefhues FF 2011, 153). Während der Zeit einer Fremdbetreuung (Kindergarten, Schule) ist keine zusätzliche Betreuung durch ein Elternteil möglich oder nötig, so dass eine Obliegenheit zur Erwerbstätigkeit unverändert besteht (zur Erwerbsobliegenheit s. später unter IV.).
c) Ehebezogener Billigkeitsanspruch (§ 1570 Abs. 2 BGB)
Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht (ehebezogener Billigkeitsergänzungsunterhalt; Elternanspruch, s. Schilling FF 2008, 279, 283; Annexanspruch des Anspruchs aus § 1570 Abs. 1 BGB). Daher kann § 1570 Abs. 2 BGB nur dann gegeben sein, wenn im Zeitpunkt der Scheidung noch ein gemeinsames Kind betreut wird (BGH FamRZ 2010, 1050 m. Anm. Viefhues; Borth FamRZ 2008, 2, 8).
Dieser Unterhaltsanspruch stellt eine weitere Ausnahme von der grundsätzlichen Erwerbsobliegenheit des geschiedenen Ehegatten dar und ist entsprechend eng auszulegen. Der Gesetzestext, der auch hier auf die Billigkeit abstellt, gibt keine klaren Anhaltspunkte für die entscheidende Frage, ob und ggf. in welchem Umfang ein Unterhaltsanspruch besteht. Zu berücksichtigen sind die Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe; das bedeutet aber nicht, dass andere Gesichtspunkte nicht auch eine Rolle spielen können. In erster Linie dürfte es daher auf ein einvernehmlich während der Ehe praktiziertes Betreuungskonzept der Ehegatten ankommen. Hier kann also auch die frühere gemeinsame Lebensplanung eine Rolle spielen.
Maßgeblich dürfte sein, ob die während der Ehe von den Eheleuten gewählte Aufgabenverteilung hinsichtlich der Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit ein besonderes Vertrauen begründet hat, das auch für die Zukunft geschützt werden soll. Die Vorschrift bezweckt den Schutz des gewachsenen Vertrauens in einvernehmliche Betreuungsmodelle und verabredete Rollenverteilungen und ist letztlich Ausgestaltung der nachehelichen Solidarität, wenn auch in eingeschränktem Umfang.
Nach dem Wortlaut des Gesetzes muss es sich um Umstände handeln, die unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kindererziehung und Erwerbstätigkeit in der Ehe von Bedeutung sind. Die Gesetzesbegründung weist darauf hin, dass das Vertrauen in die vereinbarte und so auch gehandhabte Rollenverteilung hinsichtlich der Kinderbetreuung geschützt werden soll. Die Berechtigte muss von...