1 Bestürzung über Bedrohung von Rechtsanwälten
Die Anwaltskammern und der Deutsche Anwaltverein zeigen sich besorgt über die Bedrohungen von Anwältinnen und Anwälten, die mutmaßlich aus Kreisen der Frankfurter Polizei kommen. Wie verschiedene Medien Mitte Januar berichteten, hat die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz, die u.a. Angehörige von Mordopfern im sog. NSU-Prozess und auch verschiedentlich islamische Gefährder gerichtlich vertreten hat, nun zum wiederholten Mal ein Telefax bekommen, in dem sie mit dem Tod bedroht wird. Die in den Drohungen genannten Fakten deuten darauf hin, dass der oder die Täter Zugang zu Polizeidaten haben.
Um einen Einzelfall handelt es sich bei diesen Telefaxen offenbar nicht. Auch ein Kölner Anwalt wurde schon bedroht – wie offenbar auch einige andere Kollegen, die regelmäßig Menschen mit Migrationshintergrund vertreten. Beide Anwaltsorganisationen zeigten sich angesichts dieser Vorfälle bestürzt und forderten die Ermittlungsbehörden auf, die Bedrohungen ernstzunehmen und diese lückenlos aufzuklären.
Die Präsidentinnen und Präsidenten der 28 Rechtsanwaltskammern, die am 17. Januar zu einer Tagung zusammenkamen, gaben zu den Geschehnissen folgende Erklärung ab: "Wir sehen in den Vorfällen einen Angriff auf die freie Berufsausübung der Anwaltschaft allgemein. In einem immer stärker werdenden Klima der verbalen und gedanklichen Verrohung sind diese Vorgänge eine weitere und durch die Selbstverwaltung der Anwaltschaft nicht mehr schweigend hinzunehmende Eskalierung. Es darf keine Rolle spielen, welchen Mandanten eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt vertritt; die Garantie für jedermann auf ungehinderten und vollständigen Zugang zum Recht und das Recht auf eine uneingeschränkte Verteidigung müssen gewahrt bleiben."
Der Präsident des Deutschen Anwaltvereins, Ulrich Schellenberg, gab seiner Besorgnis folgenden Ausdruck: "Anwältinnen und Anwälte zu bedrohen, ist inakzeptabel. Die Anwaltschaft ist Garantin für den Rechtsstaat – und der garantiert jedem Menschen ein faires Verfahren, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, Weltanschauung oder der vorgeworfenen Tat. Wir fordern daher eine Aufklärung der Umstände, die hinter diesem Angriff auf unseren freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaat stecken."
[Quellen: BRAK/DAV]
2 "Anti-Abschiebe-Industrie" zum Unwort des Jahres gekürt
Im vergangenen Jahr hatte der Bundestagsabgeordnete und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt Kritik an einer angeblichen "Anti-Abschiebe-Industrie" geübt und damit u.a. auf engagierte Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte abgezielt. Eine "aggressive Anti-Abschiebe-Industrie", so Dobrindt seinerzeit, sabotiere die Bemühungen des Rechtsstaates und gefährde die öffentliche Sicherheit. Umgehend hatten sich die Anwaltsverbände BRAK und DAV gegen diese Verunglimpfung zur Wehr gesetzt (vgl. ZAP Anwaltsmagazin 11/2018, S. 533).
Eine späte Bestätigung haben die beiden Verbände nun von der institutionell unabhängigen und ehrenamtlichen Aktion "Unwort des Jahres" erhalten. Deren Jury hat den Begriff Mitte Januar nun zum "Unwort des Jahres 2018" erklärt (vgl. dazu auch die ZAP Kolumne von Wessels, in diesem Heft, S. 105). Der Ausdruck, so die Begründung der Jury, unterstelle denjenigen, die abgelehnte Asylbewerber rechtlich unterstützen und Abschiebungen auf dem Rechtsweg prüfen, die Absicht, auch kriminell gewordene Flüchtlinge schützen und damit in großem Maßstab Geld verdienen zu wollen. Der Ausdruck "Industrie" suggeriere zudem, es würden dadurch überhaupt erst Asylberechtigte "produziert". Es handele sich hierbei um ein Unwort, weil mit diesem Begriff das geltende Gesetz verhöhnt werde, welches Grundlage unserer Wertegemeinschaft sei. Als das Unwort 2018 gilt es der Jury, weil die Tatsache, dass ein solcher Ausdruck von einem wichtigen Politiker einer Regierungspartei prominent in der Diskussion platziert worden sei, zeige, wie sich der politische Diskurs sprachlich und in der Sache nach rechts verschoben habe und sich damit auch die Sagbarkeitsregeln in unserer Demokratie in bedenklicher Weise veränderten.
Daneben hat die Jury noch zwei weitere Ausdrücke zu "Unworten des Jahres" erklärt: die Begriffe "Menschenrechtsfundamentalismus" und "Ankerzentrum". Der Ausdruck "Menschenrechtsfundamentalismus" wurde von dem Tübinger Oberbürgermeister Palmer anlässlich einer Debatte um die Seenotrettung von Flüchtlingen aus dem Mittelmeer verwendet, um damit die politische Haltung von ihm sog. moralisierender Kreuzzügler in der Flüchtlingspolitik zu kritisieren. Der Ausdruck zeige in erschreckender Weise, dass es in Deutschland diskutabel geworden zu sein scheine, ob ertrinkende Menschen gerettet werden sollen oder nicht. Menschenrechte seien aber fundamentale Rechte – sie zu verteidigen, sei mehr als eine bloße Gesinnung, die als "Fundamentalismus" diskreditiert werden könne.
Der ebenfalls kritisierte Ausdruck "Ankerzentrum" finde sich im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD und bezeichne besondere Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge, die dort eine "Bleibeverpflichtung" haben, bis sie auf die Kommunen verteilt ode...