Bereits die letzte Ausgabe des Berufsrechtsreports widmete sich der Rechtsprechung des BGH (Beschl. v. 9.3.2017 – V ZB 18/16; Beschl. v. 28.9.2017 – V ZB 109/16; Beschl. v. 18.10.2017 – LwZB 1/17) zu den Folgen einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung (ZAP 2/2018, 57, 60). Nach § 233 S. 2 ZPO wird zwar im Rahmen eines Wiedereinsetzungsantrags das Fehlen des Verschuldens für ein Fristversäumnis vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ansicht des BGH folgt hieraus aber nicht, dass ein Anwalt ausnahmslos auf die Richtigkeit einer durch das Gericht erteilten Rechtsbehelfsbelehrung vertrauen darf. Vielmehr könne sich ein Anwalt dann nicht auf einen vermeidbaren Rechtsirrtum berufen, wenn die Rechtsmittelbelehrung offenkundig fehlerhaft sei, die Rechtsmittelbelehrung – ausgehend von dem bei einem Rechtsanwalt vorauszusetzenden Kenntnisstand – nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken vermöge.
Nach einer weiteren Entscheidung des XII. Zivilsenats soll ein Rechtsanwalt in einem auf Zahlung von Trennungsunterhalt gerichteten Verfahren, bei dem die Beschwerdebegründung fristgerecht zum OLG einzureichen ist, da es sich gem. §§ 112 Nr. 1, 231 Abs. 1 Nr. 2 FamFG um eine Familienstreitsache handelt, für die § 117 Abs. 1 FamFG gilt, nicht auf eine Belehrung vertrauen dürfen, in der (allein) auf die Möglichkeit zu einer Beschwerdeeinlegung und -begründung beim AG hingewiesen wird. Dabei spiele es keine Rolle, inwiefern dieses Vorgehen nach § 64 FamFG bei "einfachen" Familiensachen richtig gewesen wäre. Die Unterteilung in Familienstreit- und Ehesachen einerseits und Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit andererseits gehöre ebenso zu den verfahrensrechtlichen Grundkenntnissen eines im Familienrecht tätigen Rechtsanwalts wie das Wissen darum, dass in Familienstreitsachen die fristgebundene Rechtsmittelbegründung Zulässigkeitsvoraussetzung der Beschwerde und eine (Trennungs-)Unterhaltssache als Familienstreitsache einzuordnen ist. Dies gelte unabhängig davon, ob der Verfahrensbevollmächtigte Fachanwalt für Familienrecht sei. Vielmehr nehme der Rechtsanwalt mit der Übernahme eines entsprechenden Mandats diese verfahrensrechtliche Sachkunde für sich in Anspruch.
Diese Einzelfallrechtsprechung ist wenig überzeugend und widerspricht der Rollenverteilung zwischen Anwalt und Gericht, führt sie doch im Ergebnis dazu, dass der Rechtsanwalt stets klüger zu sein hat als der zuständige Richter, der Verfahren dieser Art tagein tagaus betreut und die entsprechenden Instanzenzüge eigentlich verinnerlicht haben sollte (ausführliche Kritik bei Deckenbrock NJW 2018, 1636, 1637 ff.).