Die Anrechnung von Vorschüssen und Zahlungen, die der bestellte oder beigeordnete Rechtsanwalt in Angelegenheiten erhalten hat, in denen sich die Gebühren nach den Teilen 4 bis 6 VV RVG bestimmen, ist in § 58 Abs. 3 RVG geregelt (dazu die Kommentierung bei Burhoff/Volpert/Volpert, a.a.O., § 58 RVG Rn 1 ff.; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 58 RVG Rn 54 ff.). In der Praxis ist bei der Anwendung von § 58 Abs. 3 RVG (früher) diskutiert worden, wie die Begrenzung in § 58 Abs. 3 S. 4 RVG auf die "Höchstgebühren eines Wahlanwalts" zu verstehen war. Zum einen konnte die Regelung dahin verstanden werden, dass die im VV RVG vorgesehene obere Rahmengrenze maßgebend ist, zum anderen können darunter aber auch die im Einzelfall konkret entstandenen angemessenen Gebühren eines Wahlverteidigers verstanden werden (OLG Jena RVGreport 2018, 95 = Rpfleger 2018, 231; OLG Koblenz RVGreport 2019, 421; LG Aachen JurBüro 2020, 298 = RVGreport 2020, 303; LG Bad Kreuznach RVGreport 2019, 14).
Das KostRÄG 2021 vom 21.12.2020 hat die Frage in Richtung der erstgenannten Auslegung klargestellt. Dazu ist die Formulierung "als die Höchstgebühren" durch die Formulierung "als die im Vergütungsverzeichnis vorgesehenen Höchstgebühren" ersetzt worden.
Diese Klarstellung erledigt die Diskussion in der Praxis. Die (Neu-)Regelung erfolgte vor dem Hintergrund, dass es nach Auffassung des Gesetzgebers eine im Einzelfall angemessene "Höchstgebühr" nicht gibt, angemessen sei immer nur eine konkrete, der Höhe nach feststehende Gebühr (BT-Drucks 19/23484, S. 80). Begründet wird sie auch damit, dass die Ermittlung der im Einzelfall entstandenen Wahlanwaltsgebühr das Festsetzungsverfahren erheblich verkomplizieren würde und sehr streitanfällig sei. Zudem sind die für die Ermittlung der jeweiligen Gebühr maßgeblichen Bemessungskriterien des § 14 RVG dem Gericht häufig nicht vollständig bekannt und müssten durch Mitwirkung des Verteidigers/Rechtsanwalts aufwändig ermittelt werden. Hierdurch würde – so die Gesetzesbegründung (BT-Drucks 19/23484, S. 80) – das in § 14 Abs. 1 S. 1 RVG eingeräumte Bestimmungsrecht missachtet werden. Im Übrigen wäre unter Umständen zu prüfen, ob dem Verteidiger/Rechtsanwalt eine Pauschgebühr nach § 42 RVG zusteht. Deshalb wird eine Anrechnung oder Zurückzahlung jetzt gesetzlich nur für solche Fälle vorgesehen, in denen die höchste denkbare sich aus dem VV RVG ergebende Wahlanwaltsvergütung überschritten wird. Mit der Formulierung "im Vergütungsverzeichnis vorgesehenen (...)" ist zudem klargestellt, dass eine Pauschgebühr nach § 42 RVG keine Berücksichtigung findet.
In "Altfällen", in denen die Neuregelung wegen der Übergangsregelung in § 60 Abs. 1 RVG ggf. noch nicht gilt (vgl. oben I und unten III. 6), sollte sich der Verteidiger/Rechtsanwalt auf die neue – für ihn günstige – Formulierung berufen.