Die Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO ist eine besondere Form der Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage, hingegen keine besondere Klageart. Dies gilt ebenso für das finanzgerichtliche Verfahren, vgl. § 40 FGO. Im SGG ist die Untätigkeitsklage in § 88 geregelt (zu beachten dort ist die Sechs-Monats-Frist).

a) Ausgangsantrag und Nichtbescheidung

Voraussetzung für die Untätigkeitsklage ist zunächst ein – auch unvollständiger (umstritten) – Antrag, der nicht während des Prozesses nachgeholt werden kann und das Fehlen einer sachlichen Entscheidung zur Hauptsache. Zwischenentscheidungen und Sachstandsmitteilungen gelten nicht als sachliche Entscheidungen. Die Entscheidung muss ordnungsgemäß bekanntgegeben worden sein.

b) Angemessene Frist

Nach § 75 S. 2 VwGO kann die Klage regelmäßig erst nach drei Monaten seit Widerspruchseinlegung oder Antragstellung erhoben werden, es sei denn, wegen besonderer Umstände des Einzelfalls ist eine kürzere Frist geboten. Besondere Umstände des Einzelfalls können z.B. sein:

  • existenzbedrohende Maßnahmen, z.B. Geschäftsschließungen,
  • nicht wiedergutzumachende Folgen,
  • erhebliche materielle Nachteile.

Die Drei-Monats-Frist verlängert sich, wenn die Nichtbescheidung auf einem zureichenden Grund beruht. Das Gericht bestimmt dann eine – verlängerbare – Nachfrist. Ein zureichender Grund in diesem Sinn kann z.B. sein:

  • Schwierigkeit der Sache in tatsächlicher Hinsicht,
  • kurzfristige Überlastung der Behörde (langfristige Überlastungen müssen durch eine effektive Arbeitsorganisation vermieden werden),
  • fehlende Mitwirkung des Klägers, nicht aber ein Abwarten auf eine bevorstehende Gesetzesänderung.
 

Hinweis:

Im Sozialhilferecht gelten insoweit Besonderheiten.

c) Entscheidung nach Klageerhebung

Entscheidet die Behörde nach Klageerhebung, sind folgende Fälle zu unterscheiden:

  1. Klageerhebung vor Ablauf der Sperrfrist,
  2. Entscheidung innerhalb der Nachfrist,
  3. Entscheidung nach Ablauf der Nachfrist.

Im ersten Fall erledigt sich der Rechtsstreit und der Kläger hat regelmäßig die Kosten zu tragen. Auch im zweiten Fall tritt Erledigung ein, jedoch fallen die Kosten dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte, § 161 Abs. 3 VwGO. Im dritten Fall führt die verspätete Klaglosstellung nicht zu § 161 Abs. 3 VwGO; es verbleibt vielmehr bei § 161 Abs. 2 VwGO, Kostentragung durch den Beklagten.

 

Hinweis:

VGH München, Beschl. v. 9.7.2019 – 3 C 19.1218, juris Rn 8:

Eine "Untätigkeitsbeschwerde" sieht die Verwaltungsgerichtsordnung nicht vor; sie ist auch weder von Verfassungs wegen noch nach der Europäischen Menschenrechtskonvention geboten; für sie ist jedenfalls seit Einführung des Entschädigungsanspruchs wegen überlanger Verfahrensdauer (§ 173 S. 2 VwGO i.V.m. §§ 198 ff. GVG) mit dem Inkrafttreten von Art. 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz in überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24.11.2011 (BGBl I, S. 2302) kein Raum (mehr) (vgl. BVerwG, Beschl. v. 26.10.2016 – 6 PKH 22.16, juris Rn 3; VGH München, Beschl. v. 7.4.2016 – 4 C 16.635, juris Rn 4; Beschl.v. 8.1.2013 – 3 C 11.1707, juris Rn 3).

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?