Nachdem der EuGH sich am 18.6.2019 (Rs. C-591/17, ZAP EN-Nr. 479/2019) bereits mit der deutschen Pkw-Maut beschäftigt hatte, und deren mögliche Einführung für europarechtswidrig erklärt hatte, stand jetzt die Lkw-Maut auf dem Prüfstand in Luxemburg (EuGH, Urt. v. 28.10.2020 – Rs. C-321/19). Geklagt hatte ein polnisches Speditionsunternehmen gegen die verantwortliche Behörde (Bundesamt für Güterverkehr, kurz: BAG). Auch diesmal stellten die EuGH-Richter fest, dass die Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber nicht europarechtskonform erfolgt sei. Während bestimmte Infrastrukturkosten für die Berechnung einer Maut herangezogen werden dürften, umfasst dies nicht die von der BRD mit in die deutsche Lkw-Maut eingerechneten Kosten der Verkehrspolizei. Die Lkw-Maut ist damit nach Ansicht des EuGH zu hoch.
Die Folgen sind dabei diesmal noch weitaus gravierender als bei der schließlich nicht über die Planungsphase hinausgekommenen Pkw-Maut (wenn man einmal die Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Bund mit den vorgesehenen Betreibern außer Betracht lässt). Denn die Lkw-Maut wurde schließlich bereits seit dem Jahr 2005 für die Nutzung der bundesdeutschen Autobahnen erhoben und zu Beginn des Jahres 2019 durch den Einbezug diverser Bundesstraßen noch einmal deutlich ausgeweitet. Der Fiskus hat also über einen längeren Zeitraum zu Unrecht zu viel Maut über die von ihm hierfür beauftragte Toll Collect GmbH eingezogen.
Dementsprechend stressig gestaltete sich ausnahmsweise das Jahresende 2020 für Transport- und Speditionsrechtler. Während es ein Jahresendgeschäft in Form drohender Forderungsverjährungen zum 31. Dezember in diesem Bereich normalerweise nicht gibt – die Verjährung im Transportrecht unterliegt vielmehr eigenen Regelungen, welche normalerweise zu einer "taggenauen" Verjährung führen (vgl. beispielsweise § 439 Abs. 1 HGB) – drohten zunächst etwaige Erstattungsansprüche gegenüber dem BAG entsprechend der Regelverjährung der §§ 195, 199 BGB für das Jahr 2017 zum Jahresende zu verjähren. Gut, dass kein Urlaub vor oder zwischen den Tagen geplant gewesen ist.
Erschwerend kam jedoch für den zwischenzeitlich dank COVID-19 Homeoffice- und beA-erfahrenen Nutzer hinzu, dass etwaige Erstattungsansprüche nur auf dem Postweg (!) wirksam eingereicht werden konnten. Ein elektronisches Behördenpostfach existierte beim BAG bislang schlichtweg nicht. Die Möglichkeit, per E-Mail Anträge auf Mauterstattung einreichen zu können, soll ggf. in der ersten Jahreshälfte 2021 eingerichtet werden. "Per Fax vorab und dann als Einwurf – Einschreiben hinterher" lautete daher die Arbeitsweise am Wochenende. Denn die einzige, vom BAG bekannt gemachte Faxnummer war unter der Woche zumeist heillos überlastet. Zumindest die Sendungsverfolgung der Einschreiben über das Internet funktionierte jedoch, so dass man hier nicht auch noch auf die Rücksendung des früher üblichen rosa Einlieferungsbelegs durch die Post warten musste. Die zwischendurch aufkommende Frage, ob man die Anträge auf Mautrückerstattung im Zweifel auch selbst mit Hilfe des Pkw zu einer der regionalen Zweigstellen des BAG hätte bringen und dort einwerfen können (hat das BAG überhaupt so etwas wie einen Fristenbriefkasten und wo findet man den bei Bedarf?) musste daher nicht in der Praxis ausgetestet werden. Alle gestellten Anträge wurden schließlich laut Faxbericht vorab und laut anschließender Sendungsverfolgung erfolgreich ausgeliefert.
Aber der (Post-)Versand der Erstattungsanträge ans BAG war nur ein Teil des Themas "Maut", welches in diesem Zusammenhang aufkam.
Noch bevor die Frachtführer ihre Anträge auf Erstattung beim BAG eingereicht hatten (oder gar eine Entscheidung darüber gefällt hatten, ob sich dieser Aufwand für sie überhaupt lohnen würde), meldeten sich die ersten Kunden, die sog. Verlader, bei ihnen und verlangten eine Auskehr der zu erwarteten Mauterstattungen. Teilweise wurden dabei auch Forderungen laut, dass man gar nicht auf die Antragsstellung und Erstattung warten wolle, sondern direkt eine Zahlung erwarte. Da es gerade im Transport- und Speditionsbereich oft zum Einsatz von Subunternehmern bzw. zur Bildung ganzer Ketten von Sub-Sub-Subunternehmern kommt, mussten die angesprochenen Dienstleister sich folglich nicht nur mit der Frage auseinandersetzen, wie sie (wenn überhaupt) auf die Anfragen ihrer Kunden reagieren sollten, sondern auch wie sie die ggf. bestehenden Ansprüche ihrer Kunden an die von ihnen jeweils eingesetzten Dienstleister weiterleiten konnten.
Berücksichtigt man überdies, dass die Transportdienstleistungen nach Deutschland oder aus Deutschland hinaus zum Teil auch noch durch Gebietsfremde erbracht werden, kann man sich in etwa vorstellen, welche Kreise dieses Thema schließlich gezogen hat.
Die Verjährung der jeweiligen Ansprüche läuft vermutlich auch nicht parallel. Während für die Erstattungsansprüche gegenüber dem BAG die erwähnte "Standardverjährung" einschlägig sein dürfte, gilt die kürzere, transportrechtliche Verjährung auch für etwaige bereicher...