Der Mieter kann das Mietverhältnis unter den Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Ziff. 1 BGB fristlos kündigen, wenn der Vermieter ihm den vertragsmäßigen Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder ihm dieser entzogen wird. Auch wenn der Wortlaut der Vorschrift nicht ganz eindeutig ist, so kann wegen eines Mangels nur der Mieter, nicht auch der Vermieter kündigen (Abramenko, ZMR 2019, 909; Lützenkirchen, Mietrecht, § 543 Rn 175; a.A. AG Hamburg-Blankenese ZMR 2019, 966 (beiderseitiges Kündigungsrecht). Die dieser Vorschrift zugrunde liegenden Sachverhalte sind i.d.R. solche mit Sach- oder Rechtsmängeln, aber auch des Unmöglichkeitsrechts und des Verzugs. Da der Gesetzgeber mit diesem Kündigungsrecht die Rechte des Mieters bei Leistungsstörungen ausweiten wollte, ist das Kündigungsrecht auch schon vor Überlassung der Mieträume anwendbar. Eine fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB erfordert nicht, dass der Mieter darlegt, warum ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zumutbar ist. Für die Wirksamkeit einer Kündigung genügt es vielmehr grds., wenn einer der in § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 3 BGB aufgeführten Tatbestände vorliegt (BGH NZM 2009, 431 = NJW 2009, 2297). Die Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit genügt; bei der Vermietung von Geschäftsräumen ist es deshalb nicht erforderlich, dass sich der Mangel auf den Umsatz ausgewirkt hat (KG GE 2014,934). Auch auf ein Verschulden des Vermieters kommt es nicht an.

Die Vorschrift enthält folgende alternative Kündigungstatbestände:

  • Nicht rechtzeitige Übergabe der Mietsache,
  • Übergabe einer mangelhaften Mietsache,
  • Gebrauch der Mietsache nach Übergabe wieder entzogen,
  • Mangel der Mietsache nach Übergabe.

Zu den Voraussetzungen:

aa) Nichtgewährung des Gebrauchs

Wichtigste Voraussetzung für das Entstehen des Kündigungsrechts gem. § 543 Abs. 2 Ziff. 1 BGB ist, dass dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der gemieteten Sache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird.

Neben der vollständigen Nichtgewährung des Gebrauchs berechtigt auch die nicht rechtzeitige Übergabe der Mietsache zur Kündigung (AG Dortmund MietRB 2020, 37 m. Anm. Bueb, jurisPR-MietR 25/2019 Anm. 6). Die bloße Ungewissheit, ob der Vermieter die Wohnung rechtzeitig übergibt, reicht nicht aus (LG Hamburg MDR 1974, 583). Die Wohnung muss dem Mieter gem. § 294 BGB tatsächlich angeboten werden. Die Wohnungsübergabe zeichnet sich insb. durch die Übergabe der Schlüssel an den Mieter aus, wodurch ihm überhaupt erst Zugriff auf und Gebrauch der Räumlichkeiten ermöglicht wird. In einem Schreiben, in dem um Terminabsprache wegen Wohnungsübergabe gebeten wird, kann nur ausnahmsweise ein wörtliches Angebot gem. § 295 BGB gesehen werden (AG Dortmund MietRB 2020, 37). Für den Fall, dass zwischen den Parteien streitig ist, ob der Vermieter dem Mieter den Gebrauch der Mietsache rechtzeitig gewährt hat, enthält § 543 Abs. 4 S. 2 BGB eine Beweislastregel. Danach obliegt dem Vermieter die Beweislast für die Rechtzeitigkeit der Übergabe.

Häufig findet man in Formularverträgen Haftungsausschlüsse des Vermieters. Er will dann weder für die rechtzeitige Fertigstellung bei Neubauten noch für die rechtzeitige Räumung durch den Vormieter haften. Eine Mietvertragsklausel, wonach der Vermieter für die nicht rechtzeitige Fertigstellung nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit haftet, hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht stand, da die pünktliche Übergabe der Mietsache zu den Kernpflichten des Vermieters zählt (OLG Düsseldorf DWW 1993, 197). Das Kündigungsrecht des Wohnraummieters kann wegen § 569 Abs. 5 BGB nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt werden (BGH NJW-RR 1989, 625). Ist im Mietvertrag formularvertraglich vereinbart, dass sich der Mietbeginn "infolge von Verzögerungen des Zeitpunktes der Bezugsfertigkeit bis zu drei Monaten verzögern kann, ohne dass sich hieraus Ansprüche des Mieters ergeben" ist dies auch dann unwirksam, wenn zusätzlich vereinbart wurde, dass der Mieter bei Verzögerungen von mehr als drei Monaten Fall berechtigt sei, vom Vertrag zurückzutreten (OLG Brandenburg GE 2012, 1375). Der Mieter kann bei Überschreitung des vereinbarten Vertragsbeginns vom Vertrag zurücktreten oder das Mietverhältnis kündigen. Der Rücktritt vom Vertrag ist dann ausgeschlossen, wenn der Mieter die Wohnungsschlüssel bereits erhalten hat. In diesem Fall ist er auf sein Kündigungsrecht gem. § 543 Abs. 2 Ziff. 1 BGB beschränkt (LG Berlin GE 1993, 919).

Das Kündigungsrecht ist gem. § 543 Abs. 4 BGB ausgeschlossen, wenn der Mieters vom Mangel bei Vertragsschluss Kenntnis hatte. Es entfällt, wenn feststeht, dass der Mieter die Räume aus Gründen, die in seiner Person liegen, ohnehin nicht nutzen kann; in diesem Fall wird dem Mieter der Gebrauch nicht entzogen (BGH NJW 1963, 341; OLG Hamm NZM 2011,277). Streitig ist, ob das Kündigungsrecht auch dann besteht, wenn der Mieter eine Vorenthaltung des Gebrauchs zur Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB ausnützt, weil er ohnehin vom Mietvertrag l...

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