aa) Voraussetzungen
Nach § 569 Abs. 1 BGB kann der Mieter das Mietverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn die Wohnung so beschaffen ist, dass deren Benutzung mit einer erheblichen Gefährdung der Gesundheit verbunden ist. Eine Gesundheitsgefährdung ist anzunehmen, wenn ein Gesundheitsschaden ernsthaft in Betracht kommt (LG Lübeck ZMR 2002, 431; AG Saarlouis, WuM 1990, 389); haltlose Befürchtungen reichen nicht aus (Fleindl in: Bub/Treier Kap IV Rn 339). Das Kündigungsrecht setzt nicht voraus, dass bereits ein Gesundheitsschaden eingetreten ist. Vielmehr genügt es, wenn eine Gefährdung der Gesundheit nach sachkundiger Beurteilung nicht ausgeschlossen werden kann (OLG Brandenburg ZMR 2019, 18). Die Gefährdung muss auf einem dauerhaften Zustand der Mieträume beruhen (OLG Koblenz ZMR 1989, 376). Sie muss aber nach objektiven Kriterien bemessen werden, sodass individuelle Empfindlichkeiten, wie z.B. Allergien, unberücksichtigt zu bleiben haben (LG Berlin ZMR 2002, 752). Eine mögliche Einsturzgefahr eines Gebäudes ist auch dann iSd. § 569 Abs. 1 BGB als gesundheitsgefährdend einzustufen, wenn der Eintritt der Gefahr zwar nur bei besonderen Wind- und Schneelasten in Betracht kommt, gleichwohl aber als real einzustufen ist (OLG Düsseldorf MietRB 2016, 223). Das Kündigungsrecht wegen erheblicher Gesundheitsgefährdung gem. § 569 Abs. 1 S. 2 BGB besteht auch dann, wenn der Mieter diesen Mangel bei Abschluss des Vertrags gekannt oder wenn er darauf verzichtet hat, die ihm wegen einer gesundheitsgefährdenden Beschaffenheit der Mieträume zustehenden Rechte geltend zu machen (OLG Brandenburg ZMR 2017, 387).
Die tatsächlichen Voraussetzungen dieses Kündigungstatbestands muss der Mieter darlegen und ggf. beweisen (LG Mannheim, Urt. v. 25.11.1987 – 4 S 8/87, WuM 1988, 360).
bb) Einzelfälle
Stichwort oder Leitsatz |
Gericht, Fundstelle |
Allergie: Allergien des Mieters rechtfertigen nicht die Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung, wenn keine objektive Gefährdung von der Wohnungsbeschaffenheit ausgeht. |
AG München WuM 1986, 247 |
Baugerüst: Die durch ein Baugerüst hervorgerufenen Einschränkungen der Lichtzufuhr berechtigen den Mieter nur dann zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses, wenn die Benutzung der Mieträume mit einer erheblichen Gefährdung seiner Gesundheit verbunden ist; diese Gefährdung hat der Mieter im Einzelnen darzulegen und im Streitfall auch zu beweisen. |
LG Berlin ZMR 1986, 34 |
Bauordnungswidriger Zustand: Bauordnungswidrig zu Wohnzwecken gemietete Räume kann der Mieter wegen Gesundheitsgefährdung nur bei konkreter Gefahr fristlos kündigen. |
AG Köln WuM 1988, 265 |
Dichlordiphenyltrichlorethan: Ist nach dem gegenwärtigen Stand der medizinischen Wissenschaft ernsthaft zu besorgen, dass mit der Benutzung der Räume in absehbarer Zeit für die geschützten Personen eine erhebliche Gesundheitsgefährdung – vorliegend im Hinblick auf die Belastung mit dem Schadstoff DDT – i.S.d. Beeinträchtigung ihres körperlichen Wohlbefindens verbunden ist, ist ein Kündigungsrecht eröffnet. Das Recht zur Kündigung besteht auch dann, wenn nur ein Teil der Mietsache einen gesundheitsgefährdenden Zustand aufweist, wenn die Benutzung der Mietsache im Ganzen erheblich beeinträchtigt ist. |
OLG Brandenburg ZMR 2017, 387 |
Fenster: Ist das Schlafzimmerfenster einer Mietwohnung völlig verfault und also mangelhaft, so rechtfertigt dieser Umstand weder eine fristlose Kündigung wegen Gebrauchsentziehung noch eine solche wegen Gesundheitsgefährdung, sondern lediglich eine Mietzinsminderung. |
AG Wuppertal DWW 1988, 89 |
Feuchtigkeit: Stellt der Mieter vor seinem Einzug fest, dass die angemieteten Räume gesundheitsgefährdende Feuchtigkeitsschäden enthalten, kann er fristlos kündigen. |
AG Langenfeld WuM 1986, 314 |
Feuergefahr: Das Fehlen ausreichender Rettungswege im Brandfall kann ein außerordentliches Kündigungsrecht wegen Gesundheitsgefährdung der Bewohner begründen; eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit i.S.v. § 544 BGB a.F. (Verf.: § 569 Abs. 1 BGB n. F.) liegt nicht nur bei hygienischen Mängeln der Wohnräume vor. |
OLG Bremen, Urt. v. 24. 6. 1992 – 1 U 34/92 (juris) |
Formaldehyd: Weist die Mietwohnung eine den entsprechenden Richtwert überschreitende Formaldehydkonzentration auf, so ist der Mieter wegen der darin liegenden Gesundheitsgefährdung berechtigt, den Mietvertrag nach § 554 BGB zu kündigen. |
AG München VuR 1989, 333; AG Köln NJW-RR 1987, 972; LG München I NJW-RR 1991, 975 |
Hochwasser: Ist die Mietwohnung aufgrund Hochwassers durchgefeuchtet, teilweise beschädigt, nicht beheizbar und daher wegen ihres gesundheitsgefährdenden Zustands nicht bewohnbar, so kann der Mieter den Mietvertrag fristlos kündigen. |
AG Regensburg WuM 1988, 361 |
Insektizidbehandlung: Wendet der Vermieter in der Wohnung ein Insektizid an, dessen Anwendung in geschlossenen Räumen verboten ist, rechtfertigt dies die fristlose Kündigung nach § 569 Abs. 1 BGB. |
AG Trier WuM 2001, 486 |
Kakerlaken: Der Mieter kann die Mietwohnung nicht fristlos wegen angeblicher Gesundheitsgefährdung durch Kakerlakenbefall ... |