Das Urteil des Oberlandesgerichts in Koblenz vom 13.1.2022 gegen ein hochrangiges ehemaliges Mitglied des syrischen Geheimdienstes wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist in Deutschland auf allgemeine Zustimmung gestoßen. Politiker, Menschenrechtsorganisationen und Juristen begrüßten den Urteilsspruch, der auf das Völkerstrafgesetzbuch gestützt wurde und auf lebenslange Freiheitsstrafe lautet. Amnesty International nannte das Urteil ein "wichtiges Signal im Kampf gegen Straflosigkeit" und auch der Deutsche Richterbund wertete, das Urteil sende ein wichtiges Signal an die Täter und ihre Opfer. Bundesjustizminister Marco Buschmann lobte die Entscheidung als "Pionierarbeit" der deutschen Justiz, die es verdiene, weltweit wahrgenommen zu werden.
Dass ein deutsches Strafgericht für die Verfolgung eines Verbrechens eines Ausländers, die dieser im Ausland begangen hat, überhaupt zuständig werden konnte, liegt am sog. Weltrechtsprinzip des Völkerstrafgesetzbuchs (VStGB). Dieses erlaubt die Verfolgung von Straftaten unabhängig von ihrem Tatort und von der Staatsangehörigkeit von Tätern und Opfern. Das Weltrechtsprinzip dient dem strafrechtlichen Schutz der gemeinsamen Wertegrundlage der Menschheit. Strafbar nach dem VStGB sind u.a. die dort in § 7 festgeschriebenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Nach den Feststellungen des Koblenzer Staatsschutzsenats, die auf den Aussagen von mehr als 80 vernommenen Zeugen beruhen, hatte der angeklagte ehemalige Geheimdienstoffizier Anwar R. im Rahmen eines "ausgedehnten und systematischen Angriffs gegen die syrische Zivilbevölkerung" als Mittäter 27 Menschen ermordet sowie 4.000 Menschen in schwerwiegender Weise der körperlichen Freiheit beraubt und während der Ingewahrsamnahme gefoltert. Obgleich der Angeklagte die Taten nicht persönlich ausgeführt habe, seien ihm diese aufgrund seiner Entscheidungs- bzw. Befehlsgewalt zuzurechnen. Einen von der Verteidigung geltend gemachten entschuldigenden Notstand erkannte der Senat nicht an. Der Angeklagte sei 2012 aus Syrien geflohen, hätte dies aber – angesichts der Schwere der in Frage stehenden Straftaten – nach Auffassung der Richter deutlich früher tun müssen. Er habe jedoch zunächst seine angesehene soziale Stellung als Oberst des Geheimdienstes und die damit verbundenen Privilegien erhalten wollen; hierin erkannte der Senat auch niedrige Beweggründe.
§ 7 Abs. 1 Nr. 1 VStGB sieht für die begangenen Taten zwingend eine lebenslange Freiheitsstrafe vor. Der Koblenzer Senat hat diese auch entsprechend verhängt. Die Entscheidung ist bislang allerdings noch nicht rechtskräftig (OLG Koblenz, Urt. v. 13.1.2022 – 1 StE 9/19). Beobachter rechnen damit, dass es in Kürze zu weiteren Verfahren auf der Grundlage des Weltrechtsprinzips kommen wird. Derzeit sollen bei der Bundesanwaltschaft rund 100 offene Verfahren nach dem Völkerstrafgesetzbuch geführt werden.
[Red.]