Der BGH hatte sich bereits in der Vergangenheit mehrfach zu den Folgen einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung geäußert (dazu Deckenbrock/Markworth ZAP 2019, 115, 127; Deckenbrock NJW 2018, 1636 ff.). Nach Ansicht des BGH folgt hieraus aber nicht, dass ein Anwalt ausnahmslos auf die Richtigkeit einer durch das Gericht erteilten Rechtsbehelfsbelehrung vertrauen darf. Vielmehr könne sich ein Anwalt, wie der XII. Senat Ende 2020 noch einmal herausgestellt hat (Beschl. v. 25.11.2020 – XII ZB 256/20), dann nicht auf einen vermeidbaren Rechtsirrtum berufen, wenn die Rechtsmittelbelehrung offenkundig fehlerhaft sei, die Rechtsmittelbelehrung – ausgehend von dem bei einem Rechtsanwalt vorauszusetzenden Kenntnisstand – nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken vermöge.
Wenn ein Beschwerdeführer die Frist zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde versäumt hat, weil er fälschlich gegen eine landgerichtliche Entscheidung zu einem Haftanordnungsbeschlusses in einem aufenthaltsrechtlichen Verfahren eine Rechtsbeschwerde beim BGH eingelegt hat, so kann auch im verfassungsgerichtlichen Verfahren ein fehlendes Verschulden an der Fristwahrung begründet und damit die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geboten sein, sofern das Landgericht eine Rechtsbehelfsbelehrung übermittelt hatte, in dem zu Unrecht auf diese Rechtschutzmöglichkeit verwiesen worden war. Dies hat das BVerfG in einem Beschluss vom 22.9.2021 (2 BvR 955/17) klargestellt. Im Übrigen war die Verfassungsbeschwerde auch begründet. Dabei führte das BVerfG zu den Grenzen aus, die den Fachgerichten bei der Auslegung von an sie herangetragenen Begehren gesetzt sind. Demnach haben die Gerichte streng auf Sachdienlichkeit und Rechtschutzfreundlichkeit zu achten. Indem Amts- und Landgericht das Begehren des Beschwerdeführers als – verfristete – Beschwerde und nicht als Haftaufhebungsantrag verstanden haben, hätten sie den Verfahrensgegenstand in einer Weise festgelegt, die das erkennbar verfolgte Rechtsschutzziel ganz oder in wesentlichen Teilen außer Betracht gelassen habe, und sich dadurch der – an sich gebotenen – Sachprüfung des erhobenen Begehrens entzogen. Darin liege eine sachlich nicht nachvollziehbare Rechtswegverkürzung, die den Rechtsschutzanspruch des Betroffenen (Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG) im Grundsätzlichen missachte. Diese Ausführungen sind im Hinblick auf Fälle, in denen sich Gerichte aufwendigen Verfahren durch spitzfindiges Auslegen des Begehrens zu entziehen versuchen, übertragbar.