Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinschaftlich zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so ist gem. § 1687 BGB bei Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ihr gegenseitiges Einvernehmen erforderlich.
Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheit der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, kann gem. § 1628 S. 1 BGB das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen.
a) Begriff – Schulischer Schnelltest
Die Abgrenzung zwischen Alltagsangelegenheiten und Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung hat sich – wie das OLG Bamberg (FamRZ 2021, 1537) ausführt – an der Legaldefinition des § 1687 Abs. 1 S. 3 BGB zu orientieren. Danach sind Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens i.d.R. solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. Im Umkehrschluss dazu sind Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung diejenigen, die nicht mehr diesen Anforderungen entsprechen. Bei der Teilnahme an einem schulisch veranlassten COVID-19-Schnelltest handelt es sich, aufgrund des möglichen Ausschlusses des Kindes vom Präsenzunterricht, um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung.
b) Entscheidungsbefugnis für Corona-Impfung
Nach allgemeiner Meinung ist die Entscheidung über die Durchführung von Schutzimpfungen generell eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung (vgl. BGH, FamRZ 2017, 1057).
Da es sich bei der Impfung um einen ärztlichen Eingriff i.S.d. § 630d BGB handelt, ist bei einer vorhandenen Beurteilungs- und Entscheidungsfähigkeit des Kindes, dessen Einwilligung erforderlich. Daneben bedarf es aber eines Co-Konsenses mit den sorgeberechtigten Eltern. Die Entscheidung über die Durchführung der Corona-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff ist nach einem Beschluss des OLG Frankfurt (FamRZ 2021, 1533 m. Anm. Lipp, MDR 2021, 1271, NJW 2021, 2051) bei einer vorhandenen Empfehlung der Impfung durch die ständige Impfkommission und bei einem die Impfung befürwortenden Willen des (hier fast 16-jährigen) Kindes auf denjenigen Elternteil zu übertragen, der die Impfung befürwortet. Zur Frage der Impffähigkeit bedarf es im sorgerechtlichen Verfahren keines medizinischen Gutachtens, da eine ärztliche Prüfung vor der jeweiligen Impfung erfolgt.
Das OLG München (FamRZ 2021, 1980) stellt klar, dass eine Entscheidung über die Verabreichung von Impfungen sinnvollerweise nur einheitlich zu treffen ist. Die Übertragung der Entscheidungsbefugnis für eine Covid-19-Impfung umfasst daher neben der Erst- und Zweitimpfung auch eine von der STIKO empfohlene Auffrischungsimpfung.
c) Auslandsreise im Hinblick auf die Pandemie
Nach Auffassung des OLG Dresden (FamRZ 2021, 1474, FuR 2021, 664 m. Bearb. Viefhues) stellte eine zweiwöchige im Juli 2021 beabsichtigte USA-Reise des Vaters mit dem sechsjährigen Sohn zum Besuch der dort lebenden hochbetagten Großeltern väterlicherseits, jedenfalls nach dem Wegfall der Einstufung als Risikogebiet durch das Robert-Koch-Institut und der Aufhebung der Reisewarnung durch das Auswärtige Amt, keine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Wohl des Kindes dar. Das OLG begründet dies (nach der damaligen Situation) damit, dass die aus der Corona-Pandemie folgenden allgemeinen Infektions- und Erkrankungsrisiken lediglich zu einer abstrakten Gesundheitsgefahr führen würden, denen ausreichend begegnet werden könne.
d) Fotos von Kindern in digitalen sozialen Medien
Zu einer Angelegenheit von erheblicher Bedeutung zählt das OLG Düsseldorf (FamRZ 2021, 1714, MDR 2021, 1397, FuR 2021, 665 m. Bearb. Herberger, FamRB 2021, 494 m. Hinw. Clausius) auch die Entscheidung über das Vorgehen gegen eine unberechtigte Veröffentlichung von Fotos des Kindes im Internet. Es entspricht regelmäßig dem Kindeswohl am besten, diese Entscheidung demjenigen Elternteil zu übertragen, der die Gewähr für eine Verhinderung der weiteren Bildverbreitung bietet.