Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterbringung eines Kindes in einer Kindereinrichtung. Gemeinsame elterliche Sorge
Leitsatz (redaktionell)
Können sich getrennt lebende Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht über den Besuch des Kindes in einer Kindertagesstätte, der eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung i.S.d. § 1687 Abs. 1 S. 1 BGB darstellt, einigen, ist die alleinige Entscheidungsbefugnis durch das Familiengericht gem. § 1628 S. 1 BGB einem Elternteil zu übertragen, wenn dies dem Wohl des Kindes entspricht und gerade der Besuch einer Kindergruppe zur Förderung der weiteren kindlichen Entwicklung ärztlicherseits angeraten wird.
Normenkette
BGB § 1628 S. 1, § 1687 Abs. 1 Sätze 1-2, § 1603 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
AG Cottbus (Aktenzeichen 53 F 32/04) |
Tenor
1. Die befristete Beschwerde des Antragsgegners vom 6.5.2004 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.
3. Der Beschwerdewert beträgt 3.000 Euro.
Gründe
Die gem. § 621c ZPO zulässige befristete Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Soweit die beteiligten Eltern über die Anmeldung ihres gemeinsamen Sohnes P.S., geboren am 27.7.2002, in einer Kindereinrichtung streiten, hat das AG zutreffend die Entscheidungsbefugnis darüber der Antragstellerin allein übertragen. Der Vorschlag der Antragstellerin über die Anmeldung des betroffenen Kindes in einer Kindertagesstätte ist ggü. dem Vorschlag des Antragsgegners, das betroffene Kind persönlich zu betreuen, vorzugswürdig. Auf die hierfür nachfolgend dargestellten Gründe hat der Senat bereits innerhalb des die vom Antragsgegner begehrte Prozesskostenhilfe versagenden Beschlusses vom 4.6.2004 hingewiesen, ohne dass der Antragsgegner sich hierzu nachfolgend eingelassen hat.
1. Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so kann derjenige Elternteil, bei dem das Kind seinen tatsächlichen Aufenthalt hat, in Angelegenheiten des täglichen Lebens sorgerechtliche Entscheidungen allein treffen. Handelt es sich dagegen um Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, so ist das gegenseitige Einvernehmen der Eltern erforderlich (§ 1687 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 BGB). Bei Streitigkeiten, die Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung betreffen und in denen sich die Eltern nicht einigen können, ist auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung gem. § 1628 Satz 1 BGB einem Elternteil allein zu übertragen.
2. Die Frage der Unterbringung des gemeinsamen Kindes in einer Kindereinrichtung hat das AG zutreffend als Angelegenheit von erheblicher Bedeutung angesehen, wenngleich es hierzu an jeglicher Begründung des angefochtenen Beschlusses fehlt. Nach der Legaldefinition des § 1687 Abs. 1 Satz 3 BGB sind Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens in der Regel solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben im Umkehrschluss dazu sind Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung alle die, die nicht diesen Anforderungen entsprechen. Eine klare begriffliche Abgrenzung ist jedoch nicht möglich, schon wegen der Vielschichtigkeit des kindlichen Lebens wird man in der Regel nur anhand der Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalles die Abgrenzung treffen können.
Im Allgemeinen sind danach Entscheidungen, die die kindliche Entwicklung auf Dauer bestimmen dürften, von erheblicher Bedeutung für das Kind. Derartige erhebliche Bedeutung haben in der Regel Entscheidungen darüber, in welchen Einrichtungen sich das Kind künftig aufhält, z.B. zu welcher Schule es geht, ob es ein Heim oder ein Internat besucht, welche Ausbildungsstelle es antritt (Palandt/Diederichsen, BGB, 62. Aufl., § 1687 Rz. 7). Gemessen hieran wird man im Allgemeinen auch die Entscheidungen darüber, ob, ab welchem Alter und für wie lange das Kind eine Kindereinrichtung besuchen soll, als wesentlich für die weitere kindliche Entwicklung ansehen müssen. Dies folgt schon im Allgemeinen aus dem Umstand, dass es sich dabei für das Kind um einen regelmäßig gravierenden Einschnitt in seinem zukünftigen Tagesablauf handeln wird. Die im Wesentlichen auf seine Familie, insb. die Elternteile ausgerichtete Sichtweise des jungen Kindes verändert sich zumindest teilweise, wird es in eine Kindereinrichtung verbracht. Auch die Entscheidung über das Verbringen des Kindes in eine Kindereinrichtung stellt daher eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung i.S.d. § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB dar.
3. Da sich die Eltern über diese wesentliche Angelegenheit nicht einigen können, ist eine Entscheidung gem. § 1628 Satz 1 BGB auf Grund des Antrages der Antragstellerin notwendig.
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners kommt es nicht darauf an, ob die Voraussetzungen des § 1666 BGB für eine Übertragung der Entscheidungsbefugnis vorliegen; vielmehr ist gerade das Gegenteil der Fall. § 1628 BGB ist restriktiv auszulegen und auf situative Entscheidungen zu beschränken (OLG Zw...