Im aktuellen Berichtszeitraum hat der BGH seine Rechtsprechung aus den Vorjahren bestätigt, wonach eine Zulassung von Volljuristen, die als GmbH- oder Vereinsgeschäftsführer tätig werden, zur Syndikusrechtsanwaltschaft nicht möglich ist (BGH, Urt. v. 13.5.2022 – AnwZ [Brfg] 21/21 m. Anm. Söller, NZG 2022, 1220; Urt. v. 24.10.2022 – AnwZ [Brfg] 33/21 m. Anm. Huff, NJW 2023, 155; zuvor bereits Urt. v. 7.12.2020 – AnwZ [Brfg] 17/20; Beschl. v. 25.10.2021 – AnwZ [Brfg] 37/20). Der Senat lehnt die Zulassung unter dem Aspekt der mangelnden fachlichen Unabhängigkeit i.S.v. § 46 Abs. 4 S. 2 BRAO ab. Ein GmbH-Geschäftsführer habe grds. Weisungen der Gesellschafterversammlung – sei es im Einzelfall oder als allgemeine Richtlinie – zu jeder Geschäftsführerangelegenheit zu befolgen, sofern nicht der Gesellschaftsvertrag eine abweichende Regelung enthalte. Ein nur dienstvertraglich vereinbartes Weisungsverbot eines GmbH-Geschäftsführers reiche nicht aus, um die fachliche Unabhängigkeit zu gewährleisten. Auch aus dem Umstand, dass die Gesellschafter einem entsprechenden Änderungsvertrag zum Geschäftsführer-Anstellungsvertrag zugestimmt haben, ergebe sich die notwendige fachliche Unabhängigkeit nicht (BGH, Urt. v. 13.5.2022 – AnwZ (Brfg) 21/21). Dies gilt nach der jüngsten Entscheidung des Senats auch dann, wenn die Bestimmungen in Satzung und Anstellungsvertrag des Geschäftsführers voneinander abweichen. Weisungen vom Geschäftsführer seien nämlich auch zu beachten, wenn diese im Widerspruch zum Anstellungsvertrag stünden. Die Bestimmungen der Satzung gingen den Bestimmungen des Anstellungsvertrags wegen des Grundsatzes der Nachrangigkeit gegenüber dem gesellschaftsrechtlichen Organverhältnis vor (BGH, Urt. v. 24.10.2022 – AnwZ [Brfg] 33/21). Für die Praxis folgt hieraus, dass eine Zulassung des Geschäftsführers nur bei einer Satzungsanpassung in Betracht kommt (Huff, AnwBl Online, 2023, 20, 21).
Ist diese Voraussetzung erfüllt, stehen die Rechtsanwaltskammern vor der Frage, inwiefern die Tatsache, dass der GmbH-Geschäftsführer – entgegen dem Wortlaut von § 46 Abs. 2, Abs. 3 BRAO – nicht in einem Arbeits- sondern einem Anstellungsverhältnis steht, die Zulassung behindern kann. Der BGH hat dies bislang nicht beantwortet. Der AGH NRW (Urt. v. 2.10.2020 – 1 AGH 3/20) und der AGH Schleswig-Holstein (Urt. v. 21.6.2021 – 2 AGH 6/20) haben die Zulassung eines GmbH- bzw. Verbandsgeschäftsführers aus diesem Grund abgelehnt. Bei richtigem Verständnis der Vorschrift dürfte sich jedoch kein Hinderungsgrund für die Zulassung ergeben (s. auch Deckenbrock, NJW 2022, 3688 Rn. 17; Huff, AnwBl Online 2023, 20, 21; Söller, GmbHR 2021, 1193). Der Begriff des „Arbeitsverhältnisses” wurde i.R.d. Gesetzgebungsverfahrens nachträglich eingefügt; zuvor sprach der Gesetzesentwurf von einem „Anstellungsverhältnis”. Dass diese Änderung die Zulassungsmöglichkeiten begrenzen sollte, ist den Gesetzesmaterialien jedoch nicht zu entnehmen. Vielmehr diente die begriffliche Anpassung lediglich dem Ziel, die Anwendung der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung auf Syndikusrechtsanwälte sicherzustellen, um ihre Rechtsstellung an die von anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Position anzugleichen (BT-Drucks 18/6915, S. 23).