Die Frage, wann ein Syndikusanwalt in Rechtsangelegenheiten seines Arbeitgebers tätig wird, hat die anwaltsgerichtliche Rechtsprechung in den letzten Jahren maßgeblich beschäftigt. Die wesentlichen Zweifelsfälle konnten zwischenzeitlich durch den Anwaltssenat geklärt werden. Insofern hat der BGH bereits in einer Reihe von Entscheidungen deutlich gemacht, dass er § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO als tatbestandliche Voraussetzung für die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt begreift (BGH, Urt. v. 2.7.2018 – AnwZ [Brfg] 49/17; Urt. v. 6.5.2019 – AnwZ [Brfg] 38/17; Urt. v. 3.2.2020 – AnwZ [Brfg] 71/18; Urt. v. 22.6.2020 – AnwZ [Brfg] 23/19; Urt. v. 5.10.2020 – AnwZ [Brfg] 43/18). Ob ein Antragsteller in Rechtsangelegenheiten seines Arbeitgebers tätig wird, beurteilt der Senat allein nach dem objektiven Inhalt der Tätigkeit (BGH, Urt. v. 29.10.2021 – AnwZ [Brfg] 59/19; Urt. v. 25.8.2022 – AnwZ [Brfg] 3/22 m. Anm. Özman, NJW 2022, 3652). Betreut ein Jurist für seine Arbeitgeberin Schiedsverfahren als „Case-Manager”, indem er die Verfahren ihrer Kunden vorbereitet, unterstützt sowie administriert, soll dies nicht der Fall sein. Der Antragsteller nehme hier Angelegenheiten von Kunden der Arbeitgeberin wahr, da sich seine Tätigkeit, selbst wenn sie sich streng auf die verfahrensrechtlichen Aspekte der Schiedssachen beschränkt, allein auf das Rechtsverhältnis der Schiedsparteien zueinander auswirke (BGH, Urt. v. 13.5.2022 – AnwZ [Brfg] 46/21).
Vergleichbar beurteilte der Senat den Fall einer für eine Versicherungsmaklerin tätig werdenden Juristin, die – jeweils in konkreten Einzelfällen – Versicherungsverträge analysieren sollte. Die Analyse betreffe die Beratung zu einem Versicherungsvertrag, dessen Vertragspartner der Versicherer und der Kunde (als Versicherungsnehmer) würden, an denen die Arbeitgeberin der Antragstellerin aber nicht beteiligt sei (BGH, Urt. v. 29.10.2021 – AnwZ [Brfg] 59/19). Dabei stellte der BGH erneut klar, dass irrelevant ist, inwiefern sich die Arbeitgeberin zu der Beratung schuldrechtlich verpflichtet hat. Die schuldrechtliche Übernahme einer Dienstleistungs- und Beratungsverpflichtung mache die Erbringung dieser Dienstleistung nicht zu einer Rechtsangelegenheit der Arbeitgeberin (BGH, Beschl. v. 16.8.2019 – AnwZ [Brfg] 58/18; Urt. v. 3.2.2020 – AnwZ [Brfg] 71/18; Urt. v. 7.12.2020 – AnwZ [Brfg] 11/20; Urt. v. 29.10.2021 – AnwZ [Brfg] 59/19). Nunmehr hat der BGH darüber hinaus festgestellt, dass selbst die Mitwirkung bei Drittberatungen, die aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung erbracht werden, nicht dazu führe, dass eine Tätigkeit als Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers zu qualifizieren ist (BGH, Urt. v. 25.8.2022 – AnwZ [Brfg] 3/22). Infolgedessen wurde einer Antragstellerin, die als Schlichterin in einer Schlichtungsstelle für die außergerichtliche Beilegung von Streitigkeiten zwischen Reisenden und Verkehrsunternehmen tätig war, die Zulassung verwehrt. Die Entscheidung ist zu kritisieren, da die Besonderheit bestand, dass der Gesetzgeber der Schlichtungsstelle als Arbeitgeberin die Schlichtung zwingend vorgegeben hatte und hier – anders als bei den zuvor entschiedenen Sachverhalten – gerade keine Wahlmöglichkeit i.S.e. auf Grundlage der Privatautonomie geschlossenen Vertrags bestand (Özman, NJW 2022, 3652; Huff, BB 2022, 2387).