Dass allein die Tätigkeit als Rechtsanwalt nicht automatisch zur Aufrechterhaltung des rentenversicherungsrechtlichen Status führt, hat eine Entscheidung des BSG gezeigt (Urt. v. 28.6.2022 – B 12 R 4/20 R m. Anm. Offermann-Burckart, NJW 2022, 3596; Borggräfe, FD-SozVR 2022, 452376; Brinkmeier, GmbH-StB 2022, 244; Beyme, Stbg, 2022, 437). Geklagt hatten fünf – bzw. später vier – Anwälte, die Gesellschafter-Geschäftsführer einer Rechtsanwalts-GmbH waren. Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) war der Auffassung, dass jeder der Geschäftsführer ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ausübe und deswegen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliege. Die Gesellschafter hielten jeweils 20 % bzw., nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters, 25 % der Anteile an der GmbH. Das BSG gab der DRV Recht, da die Geschäftsführer abhängig beschäftigt gewesen seien. Als Geschäftsführer unterlägen sie nach §§ 37 Abs. 1, 38 Abs. 1, 46 Nr. 5 und 6 GmbHG dem Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung. Etwas anderes könne nur gelten, wenn es einem Anwalt aufgrund der Regelungen des Gesellschaftsvertrags möglich ist, Weisungen zu verhindern oder Beschlüsse zu beeinflussen, die sein Anstellungsverhältnis betreffen. Sei ein GmbH-Geschäftsführer zugleich als Gesellschafter am Gesellschaftskapital beteiligt, seien der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft das wesentliche Merkmal bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit. Erst bei einer Anteilsinhaberschaft von mind. 50 % könne Einfluss auf die Gesellschafterversammlung genommen werden, weshalb ein Geschäftsführer bei einer niedrigeren Beteiligung grds. abhängig beschäftigt sei. Eine Ausnahme davon könne nur gemacht werden, wenn ihm nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende, die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist. Auch über eine solche hätten die Kläger im vorliegenden Fall aber nicht verfügt.
An dieser Beurteilung ändere nach Ansicht des BSG auch die Stellung der Geschäftsführer als Rechtsanwälte und damit als unabhängige Organe der Rechtspflege und Angehörige eines freien Berufs nichts. Diesen Merkmalen komme sozialversicherungsrechtlich keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Auch das Unabhängigkeitsgebot in § 59j Abs. 4 BRAO führe nicht dazu, dass Vorgaben in allen Fällen unzulässig wären und eine umfassende Weisungsfreiheit der Geschäftsführer bestehe. Insbesondere sei die Begrenzung besonders haftungsträchtiger Tätigkeiten denkbar – was darunter zu verstehen ist, ließ das Gericht allerdings (genau wie die Gesetzesbegründung, auf die es verweist) offen.
Vor dem Hintergrund, dass das BSG dieselben Grundsätze bereits 2020 für den Geschäftsführer-Gesellschafter einer Steuerberatungs-GmbH entwickelt hat (Urt. v. 7.7.2020 – B 12 R 17/18 R), erscheint das Urteil wenig überraschend. Es entspricht dem berufsrechtlichen Verständnis an eine rechtsanwaltliche Tätigkeit im Angestelltenverhältnis, dass die fachliche Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit nicht die maßgeblichen Unterscheidungskriterien sind. Andernfalls könnte der Rechtsanwaltsberuf nur noch in Form der Selbstständigkeit ausgeübt werden (so auch Offermann-Burckart, NJW 2022, 3600). Von dem Bild des selbstständigen Einzelanwalts wollte sich der Gesetzgeber durch die Große BRAO-Reform jedoch gerade loslösen.