Nach § 27 VersAusglG findet ein Ausgleich ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die Gesamtumstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen.
a) Teilhabegerechtigkeit
Wie das OLG Hamm (FamRZ 2022, 1682 = NJW 2022, 2052 = FamRB 2022, 434 m. Hinw. Adamus) erläutert, soll die Härteklausel als Ausnahmeregelung eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Entscheidung in solchen Fällen ermöglichen, in denen die schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs zur „Prämierung” einer groben Verletzung der aus der ehelichen Gemeinschaft folgenden Pflichten führen oder gegen tragende Prinzipien des Versorgungsausgleichs verstoßen.
Entzieht ein Ehegatte ein in der privaten Altersvorsorge erworbenes Anrecht durch Ausübung des Kapitalwahlrechts dem Versorgungsausgleich und kann dieser Entzug nicht in einem anderen Ausgleichssystem kompensiert werden, gebietet schon die Wiederherstellung einer gestörten Teilhabegerechtigkeit eine Beschränkung der schematischen Durchführung des Versorgungsausgleichs. In Höhe des Entzugs kann der Ausgleich beschränkt werden. Es ist nicht zusätzlich erforderlich, dass der Ausgleichsberechtigte nicht ausreichend abgesichert ist und dass der Pflichtige besonders stark auf das Behalten seiner Anrechte angewiesen ist.
b) Trennungsdauer
Eine lange Trennungsdauer führt nach allgemeiner Meinung allein nicht notwendig dazu, dass der Versorgungsausgleich im Hinblick auf die nach Trennung erworbenen Anteile von Anrechten als unbillig anzusehen ist. Das OLG Frankfurt a.M. (FamRB 2022, 352 m. Hinw. Adamus, hier Trennungszeitraum 1/3 der Ehezeit, insgesamt über sieben Jahre) erläutert dies dahin, dass die uneingeschränkte Durchführung des Versorgungsausgleichs jedoch dann unbillig sein kann, sofern in der Trennungszeit eine wirtschaftliche Verselbstständigung eingetreten ist (vgl. BGH FamRZ 2008, 1836).
c) Verletzung von Ehepflichten
Das OLG Hamburg (FamRZ 2022, 1023) verneinte die von einem ausgleichspflichtigen Ehemann wegen gegen ihn gerichteter Straftaten, der Verweigerung des ehelichen Verkehrs, langjähriger Trennung und insb. wegen der Verletzung von Unterhaltsplichten begehrte Anwendung der Härteklausel.
Bei dem behaupteten Vorwurf falscher eidesstattlicher Versicherungen zur Erlangung von Unterhalt handele es sich nicht um eine die Anwendung des § 27 VersAusglG rechtfertigenden Härtefall, der nur bei gravierenden, außergewöhnlich schwerwiegenden Straftaten in Betracht komme. Auch bei der Verletzung ehelicher Verpflichtungen sei eine besonders schwere Verfehlung Voraussetzung und seien bei der Beurteilung die Gesamtumstände zu berücksichtigen.
Die Aussage des ausgleichspflichtigen Ehegatten, langjährig an der bereits gescheiterten Ehe nur im Interesse der gemeinsamen Kinder festgehalten zu haben, stelle jedenfalls dann keinen rechtfertigenden Grund für einen Härtefall dar, wenn die Ehe auch im fortgeschrittenen Alter der gemeinsamen Kinder fortgesetzt wurde.
Eine grobe Verletzung der Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, könne sowohl in der Verletzung der Naturalunterhaltsplicht durch Vernachlässigung der Haushaltsführung und der Betreuung der gemeinschaftlichen Kinder als auch in der Verletzung der Barunterhaltsplicht bestehen. Im letzteren Fall sei jedoch die stillschweigend aufgenommene und langfristig beibehaltene Aufgabenverteilung oder einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse zu berücksichtigen.
Die unterlassene Aufnahme einer vollen Erwerbstätigkeit nach Beendigung der Betreuung gemeinsamer Kinder könne als Härtefall nur dann berücksichtigt werden, wenn sich die Weigerung als illoyal darstellt. Hieran fehle es, wenn dies der andere Ehegatte trotz wiederholter Aufforderung letztlich geduldet hat, indem er die eheliche Lebensgemeinschaft fortgesetzt hat.