Das Soldan Institut warnte kürzlich vor schrumpfenden Fachanwaltschaften und regte nachdrücklich eine Reform der Fachanwaltsordnung (FAO) an. Hintergrund für die Besorgnis des Instituts sind die jüngsten Mitgliederstatistiken, denen zufolge die Zahl der Fachanwältinnen und -anwälte zuletzt noch nur geringfügig gestiegen ist. Im vergangenen Jahr war sogar erstmals praktisch eine Stagnation zu verzeichnen (vgl. dazu auch ZAP 2023, 418 f.). Wenn es trotzdem eine Zunahme der verliehenen Fachanwaltschaften gab, dann lag dies vor allem daran, dass die betreffenden Kolleginnen/Kollegen weitere Titel hinzuerworben haben.
Dies ist bemerkenswert, denn in den zurückliegenden drei Jahrzehnten waren teilweise rasante Steigerungen bei den Fachanwaltschaften zu verzeichnen. Das Soldan Institut bezeichnet diese anwaltliche Spezialisierung denn auch ausdrücklich als „Erfolgsmodell des deutschen Berufsrechts”. Ursprünglich als Gegengewicht zu den Spezialisierungen bei den Gerichten auf den Gebieten des Steuer-, Verwaltungs-, Sozial- und Arbeitsrechts geschaffen, hat sich das Fachanwaltswesen seit den 1990er Jahren ausgesprochen dynamisch entwickelt. Mittlerweile gibt es 24 Fachanwaltschaften, die von fast 46.000 Kolleginnen und Kollegen erworben wurden. Allerdings hat sich die ursprünglich steile Steigerungskurve seit rund zehn Jahren merklich abgeflacht und scheint nun an ihrem Zenit angekommen zu sein. Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung – auch in der Anwaltschaft gehen die „Babyboomer” demnächst vermehrt in den Ruhestand – ist eine Schrumpfung bei diesen anwaltlichen Spezialisierungen sehr wahrscheinlich.
Wie das Soldan Institut anhand der Mitgliederstatistiken vorrechnet, hat dieser Schrumpfungsprozess bei einigen Fachanwaltschaften schon eingesetzt: In den vergangenen drei Jahren seien die Zahlen der Fachanwälte für Steuerrecht, Verwaltungsrecht, Miet- und Wohnungseigentumsrecht sowie Bank- und Kapitalmarktrecht, die zuvor stetig gewachsen seien, bereits rückläufig. Im Familien- und Sozialrecht habe dieser „Negativtrend” sogar schon 2018 eingesetzt; seither seien deutschlandweit bereits rund 600 Fachanwältinnen und -anwälte für Familienrecht „verloren” gegangen, bedauert das Institut.
Die Gründe dafür, dass sich der anwaltliche Nachwuchs nicht mehr in dem erforderlichen Ausmaß qualifiziert, vermutet Soldan im möglicherweise nicht mehr zeitgemäßen Zuschnitt von Fachanwaltsgebieten oder auch in den eventuell schwindenden wirtschaftlichen Vorteilen, die ein Fachanwaltstitel früher stets geboten hat. Eine weitere Ursache könnte dem Institut zufolge schlicht im steigenden Anteil der Frauen in den Fachanwaltschaften liegen: Für viele Anwältinnen, die neben ihrer Berufstätigkeit traditionell noch familiäre Belastungen zu tragen hätten, sei der Erwerb eines (weiteren) Fachanwaltstitels einfach nicht zu stemmen.
Letztlich, so das Soldan Institut, bedarf es hier aber noch einer sorgfältigen empirischen Analyse, warum die Fachanwaltschaften auf einen Schrumpfungsprozess zusteuern. Es gehe darum, die Zukunftsfähigkeit des allgemein als sinnvoll und notwendig erachteten Systems der Fachanwaltschaften durch „Drehen an möglichen Stellschrauben” sicherzustellen. Insbesondere die Satzungsversammlung, so die Forderung des Instituts, müsse sachgerechte Lösungen schaffen und auf die veränderte demographische Struktur der Anwaltschaft reagieren.
[Quellen: DAV/Soldan Institut]