Um sich in ein neues Rechtsgebiet einzuarbeiten, wählen Juristinnen und Juristen gerne den Griff zur einschlägigen Fachliteratur bzw. den Blick in juristische Datenbanken.
Im Energierecht wird man leider mit dieser Methodik kaum fündig werden. Ein Umstand, der von im Energierecht spezialisierten Anwaltskanzleien häufig als einer derjenigen Gründe angeführt wird, warum die Zuwachsraten an Kolleginnen und Kollegen in diesem Rechtsgebiet bisher stets überschaubar geblieben sind. Soweit es tatsächlich vereinzelte Standardwerke gibt (etwa: Hempel/Franke, Recht der Energie- und Wasserwirtschaft – Praktiker-Kommentar zum deutschen und europäischen Energierecht), sind diese entweder nicht auf dem neuesten Stand und/oder interpretieren die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften des Energierechtes rein aus Versorgersicht.
Juristische Datenbanken bieten Energierechtsthemen meist ausschließlich in Zusatzmodulen an, deren Inhalt oft nur wenige Spezialfragen behandelt. Einen zumindest besseren Überblick bieten die einschlägigen Zeitschriften wie beispielsweise die RdE-Recht der Energiewirtschaft oder die ZNER-Neue Zeitschrift für Energierecht.
Für die Erlangung aktuellen Wissens hilft hingen häufig der kollegiale Austausch. Gerade die auf Verbraucherseite tätigen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind gut vernetzt und tauschen sich rege und gerne aus. In dieses Netzwerk integriert sind die Energierechtsabteilungen von Verbraucherzentralen sowie von Verbraucherschutzorganisationen wie dem Bund der Energieverbraucher e.V. Wer sich daher auf das Energierecht spezialisieren möchte, ist gut beraten, diese Anlaufstellen unbedingt zu nutzen.
Die ungewöhnliche Offenheit im kollegialen Austausch mag damit zusammenhängen, dass es im Bereich der Verbraucherberatung praktisch kein Konkurrenzdenken gibt. Man teilt, was man weiß, mit anderen. Dies ist kein Selbstzweck, denn man erhält auch wieder selbst Hinweise auf rechtliche Bewertungen, die im Energierecht bundesweit zu beobachten sind.
Außerdem möchte man aus Erfahrung der letzten Jahre vermeiden, dass für die Verbraucher ungeeignete Entscheidungen dem Bundesgerichtshof in letzter Instanz unterbreitet werden, was allen auf Verbraucherseite Beteiligten im Endergebnis schaden kann.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass viele potenzielle Mandanten, noch mehr als in anderen Rechtsgebieten, sich intensiv selbst fachlich mit ihrem jeweiligen Anliegen beschäftigen.
Nicht selten mag es vorkommen, dass ein Mandant mit einer Gerichtsentscheidung aufwartet, die der Rechtsanwältin/dem Rechtanwalt selbst völlig unbekannt ist, die aber für den vorliegenden Fall durchaus Relevanz besitzen kann. Meist handelt es sich um unveröffentlichte Entscheidungen, die in den „interessierten und vernetzten Kreisen der Energieverbraucher” geteilt wurden. Hier empfiehlt sich – mit dem Hinweis auf die fehlende Veröffentlichung – die eigene Unkenntnis einzugestehen und die Zusendung der Entscheidung zu erbitten. Im Energierecht ist dies nichts, womit man hinter dem Berg halten muss, um ein etwaiges Regressverfahren zu vermeiden. Vielmehr schmeichelt es den meisten Mandanten in „unserem Fall” auch der Rechtsanwältin/dem Rechtsanwalt Wissen vorauszuhaben.
Allerdings ist ebenfalls wahrscheinlich, dass Mandanten aus allgemein zugänglichen Quellen (nur) mit juristischem Halbwissen aufwarten. Dies ist insoweit ein Problem, als dass die – meist aus dem Internet – zitierte Stelle zwar grundsätzlich richtig sein mag, aber etwa durch neuere Rechtsprechung inzwischen inhaltlich überholt ist. Auch dies muss dem Mandanten dann nahegebracht und die zeitliche Komponente erklärt werden.
Gerade wegen der oft zeitlichen Überholung von Entscheidungen im Energierecht kann neben dem kollegialen Austausch eine eigene Recherche im Internet, insbesondere für „Einsteiger”, überaus hilfreich sein. Tatsächlich veröffentlichen viele etablierte Kanzleien, die Verbraucherzentralen oder die Stiftung Finanztest, Blogs o.Ä. zu Energierechtsfragen. Deren Inhalte sind uneingeschränkt zutreffend, aktuell und teilweise zu einem Thema sogar erschöpfend.
Damit stellt sich die Frage nach dem Grund für die Schnelllebigkeit des Energierechts. Die erste Erklärung dürfte sein, dass das Energierecht wesentlich von sich kurzfristig ändernden gesetzlichen oder verordnungsrechtlichen Vorschriften geprägt ist. Man denke insoweit etwa nur an das Gebäudeenergiegesetz oder die plötzlich Ende 2023 in Wegfall geratene Förderprämie für E-Autos.
Noch entscheidender aber dürfte sein, dass dieses Rechtsgebiet überproportional durch richterliche Entscheidungen geprägt wird.
In weiten Teilen fühlt man sich als Rechtsanwender sogar an das case law des anglo-amerikanischen Rechtskreises erinnert. Die energierechtlichen Vorschriften sind nämlich oft unklar gefasst, mehrdeutig oder müssen auch mit europäischem Verbraucherschutzrechten im Einklang stehen. Es ist daher nicht selten, dass dieselbe Rechtsfrage von den jeweils beteiligten Amts-, Land- oder Oberlandesgerichten völlig unt...