Nicht erst seit Schaffung des Gesetzes für eine kommunale Wärmeplanung mit dem zu erwartenden Ausbau der Fernwärmeversorgung steht zu erwarten, dass der Bedarf an Beratung von Verbrauchern durch spezialisierte Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte im Bereich Fernwärme erheblich ansteigen wird.
Grund für den bereits jetzt stark erhöhten Beratungsbedarf sind die in den letzten beiden Jahren exorbitant angestiegenen Kosten im Bereich Fernwärme. Für dieses Gebiet sind die Vorschriften des BGB grundsätzlich nicht heranzuziehen, da die AVBFernwärmeV insoweit als lex specialis gilt.
Fernwärme wird überwiegend im Rahmen von Sonderverträgen geliefert. Sie kann aber ebenfalls durch bloße Entnahme aus dem Netz vertraglich vereinbart werden (§ 2 Abs. 2 AVBFernwärmeV).
Die Sonderverträge in diesem Bereich enthalten Preisänderungsformeln, die regelmäßig auf Börsenpreise für Erdgas, Strom oder Öl abstellen. Mit dem russischen Angriffskrieg sind diese Börsenpreise explodiert und werden entsprechend an die Endverbraucher weitergegeben. Dabei liegen die Steigerungsraten meist um die 500 %.
Inwieweit eine verwendete Preisänderungsformel unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten Bestand hat, ist einer Prüfung ausschließlich gem. § 24 AVBFernwärmeV vorbehalten. Andere Vorschriften, wie etwa die §§ 305, 307 BGB, sollen nach der Rechtsprechung des BGH dabei nicht zur Anwendung gelangen können. Die Darstellung der Fragen, die sich um die Anhebung der Fernwärmepreise ranken, würde den Umfang dieses Beitrags bei Weitem sprengen. Allerdings gibt es einige Gerichtsurteile, deren Lektüre in die Problemgestaltung und die mögliche Unwirksamkeit einer Preisänderungsformel einführen können. Insoweit kann die Lektüre der Entscheidung des VIII. Zivilsenats des BGH v. 1.6.2022 – VIII ZR 287/20 (bzw. v. 13.7.2011 – VIII ZR 339/10) zur Einarbeitung empfohlen werden. Gestaltungsspielräume für die Beratung durch Rechtsanwälte werden insoweit eröffnet, da der Verbraucher aktiv in die Erarbeitung einer angemessenen Preisgleitklausel eingebunden werden muss.
Als typisches Problemfeld der Fernwärme ist neben unwirksamen Preisänderungsklauseln der häufig überdimensionierte Anschlusswert zu nennen. Unter einem Anschlusswert versteht man dabei diejenigen Kilowattstunden (KW), die dem jeweiligen Verbraucher für seine Abnahmestelle immer gleichbleibend zur Verfügung gestellt werden. Regelmäßig zahlt der Verbraucher dann per anno einen Betrag X je zur Verfügung gestellter KW als Grundbetrag. Diese Grundkosten bei der Fernwärme können sich in der Abrechnung erheblich negativ auswirken. Die Berechnung des Wärmebedarfs wird durch Fernwärmeunternehmen nämlich anhand von standardisierten Formeln und nicht nach dem tatsächlichen Bedarf des Haushalts errechnet. Grundlage der Berechnung ist ein (fiktiver) Tag. An diesem wird eine maximal niedrige Außentemperatur, das Erfordernis einer minimalen Hausinnentemperatur von etwa 20 Grad Celsius sowie der Betrieb von zwei gefüllten Badewannen und einer Dusche gleichzeitig unterstellt. Diese Annahme ist unrealistisch.
Dennoch haben Oberlandesgerichte die entsprechenden Annahmen der Fernwärmeversorgungsunternehmen als rechtmäßig beurteilt. Bevor nicht eine anderslautende Entscheidung seitens des BGH getroffen wird, dürfte insoweit Verbrauchern hier nicht weiterzuhelfen sein. Hingegen können Verbraucher über § 3 AVBFernwärmeV eine Reduzierung der Anschlussleistung verlangen, wenn sie ihre Wärmeversorgung über erneuerbare Energien decken. Bei einer Deckung des Wärmebedarfs bis 50 % ist eine Anschlussreduzierung bei der Fernwärme dabei nicht einmal an einen Nachweis geknüpft.